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Novemberasche

Titel: Novemberasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Menschen schadet. Seit dem Vorfall sprechen sie nicht offen mit
     mir. Irgendwas ist anders.

Höhenluft
    Medien berichteten mehrfach über Gewalt gegenüber Obdachlosen. Eine offizielle Statistik über Gewalt gegen Obdachlose wird
     in der Bundesrepublik Deutschland nicht geführt. Eine Auswertung der gemeldeten Straftaten zeigt, dass es sich bei den Tätern
     oftmals um kleine Gruppen von Jugendlichen mit rechtsextremem Hintergrund handelt (…) Aufgrund von öffentlicher Kritik werden
     seit dem Jahr 2001 offiziell die Übergriffe gegen Obdachlose als Politisch motivierte Kriminalität und Hasskriminalität gewertet.
    (Wikipedia, die freie Enzyklopädie,
    über die Obdachlosendiskriminierung, 26.   4.   2010)
     
    Der Tag war grau und unfreundlich. Ein Wetter wie aus dem Waschwassertrog. Marie konnte es immer noch nicht fassen, was sie
     hier tat. Sie lag bäuchlings auf einem Rollbrett und führte Trockenübungen durch. Sie würde durch die Luft donnern, mit hundertachtzig
     Stundenkilometern auf die Erde zustürzen. Nein, nein, nein, so weit brauchte es ja nicht zu kommen. So weit würde es auf keinen
     Fall kommen!
    »Okay«, sagte Stella. Sie war fit, motiviert und durchtrainiert und tat ein paar federnde Schritte auf das Flugzeug zu, das
     mit geöffneter Tür in der Halle stand. »Jetztgehen wir alle Übungen von Level eins nochmal durch. Mit der rechten Hand haltet ihr euch außen am Türrahmen fest. Mit der
     linken innen. Ihr stellt den rechten Fuß raus aufs Absprungbrett, dann den linken. Dann lasst ihr den rechten Fuß baumeln.
     Ihr macht den Hotel-Check, also erst schaut ihr den inneren Lehrer an, sagt ›Check-in‹ und wartet, bis er sein Okay gibt.«
    »Was ist, wenn wir das vergessen und einfach springen?« Hartmut, einer der drei Kursteilnehmer.
    »Das solltet ihr nicht tun   … Aber wenn’s denn passiert   … Wir sind drauf vorbereitet. Dann dreht ihr das Gesicht zum äußeren Lehrer, sagt ›Check-out‹, lehnt euch leicht raus, macht
     ein Hohlkreuz und seht zum Propeller vor. Und dann   …« Sie machte eine Pause und sah Marie erwartungsvoll an.
    »Dann gehe ich hoch, runter, mache einen Schritt zur Seite, bin draußen. Nehme sofort die Box-Position ein.«
    »Können wir mal ’ne Kaffeepause machen?« Bernd, der Manager, dessen Handy andauernd klingelte.
    »Klar.« Stella warf ihm einen nüchternen Blick zu. »Wir sind jetzt sowieso durch.« Sie wandte sich ab und steuerte auf die
     Kaffeemaschine zu.
    »Möchtest du auch einen?«, fragte sie Marie.
    »Ja, gern.« Marie nickte.
    Stella reichte ihr den Becher.
    »So wie’s aussieht, können wir gleich den ersten Sprung machen.«
    »Oh.« Heute schon. Das hatte Marie nicht erwartet.
    »Ich spreche mal mit Ron, das ist unser Pilot.« Sie winkte zwei Männern zu, die sich in Bewegung setzten und nun auf sie zukamen.
    »Hi! Ich bin Jojo«, sagte ein bezopfter Riese, der aussah, als sei die Hauptrolle in
Highlander
eigentlich ihmangedacht gewesen. Der andere, ein blond gelockter Typ mit Sommersprossen, lächelte breit. »Ich bin Ron.«
    »Ron ist Absetzpilot, AF F-Lehrer und Tandemmaster. Jojo ist Tandemmaster und AF F-Coach , und der zweite Lehrer, der dafür sorgt, dass ihr sicher unten ankommt.«
    Stella und Jojo sahen einander an. Ziemlich lange, fand Marie.
    »Ich bin Marie. Freut mich   …« Marie lächelte starr und versuchte, sich vorzustellen, wie es ist, in viertausend Metern Höhe aus einem Flugzeug zu springen.
     Der ganze Plan war absurd. Bisher war es ihr noch nicht einmal gelungen, ein persönliches Wort mit Stella zu wechseln. Vielleicht
     wäre es wirklich besser, gleich wieder nach Hause zu fahren und die ganze Angelegenheit zu vergessen.
     
    *
     
    Es war kurz vor halb acht Uhr an diesem Dienstagmorgen. Die Wolken hatten sich zu einem müden Gastspiel entschlossen, und
     einzelne Schneeflocken taumelten im Scheinwerferlicht der Autos und Lastwagen auf die Bundesstraße 31.
    Ein Anruf in der Schule hatte ergeben, dass Oberstudienrat Walser heute um kurz nach neun zum Unterricht erscheinen würde.
     Und so hatten Sommerkorn und Barbara entschieden, ihm zuvor zu Hause einen Besuch abzustatten.
    Ansonsten war die Suche nach Matthias Wölfle im großen Stil angelaufen. An den Bushaltestellen hingen inzwischen Plakate,
     in der
Schwäbischen Zeitung
und im
Südkurier
waren Aufrufe an die Bevölkerung ergangen, mit einem Foto und einer genauen Beschreibung der Kleidung, die Matthias Wölfle
     am Nachmittag seines

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