Novembermond
nicht gefiel. Ganz und gar nicht gefiel. Schließlich hatte er sie selbst … freigegeben, auf die gröbste und unmissve r ständlichste Art und Weise , s ie gekränkt, beleidigt, ignoriert und so weit zu rüc k gestoßen, wie es ihm nur möglich war.
Ellen war schon dabei, sich Trost zu suchen. Sie traf ihre eigene n Entscheidu n ge n , und die, sich einem Menschen zuzuwenden, bedeutete sowieso die beste von allen . Er spürte den quälenden Stachel der Eife r sucht. Auf Ellens Leben ohne ihn. Aber auch wenn jeder Gedanke an sie ihn peinigte, durfte er sich nicht in ihr Leben einmischen .
Sie lebten in der gleichen Stadt, aber in unterschiedlichen Welten. Seine Welt war die Nacht. Sie gehörte dem Tag. Das Licht in ihrem Inner e n strahlte wie die Sonne und war nicht für ihn bestimmt. Sie sollte nur unter Menschen sein, Leben schenken. Das war die Bestimmung jeder Frau und würde sie glücklich machen.
Er nickte. Er hatte sei ne Entscheidung längst gefällt , und sie erwies sich als ric h tig , auch wenn er sich fast über sie hinweggesetzt hä tte .
Was für eine Torheit. Unverantwortlich.
Er musste sie endlich loslassen, und was war dafür geeigneter als das Bild, wie dieser Kerl sie küsste?
Julian öffnete die Tür seines Wagens. Er würde darüber hinwegkommen, redete er sich ein. Mit der Zeit . Davon gab e s schließlich genug.
*
Sobald ich verstand , was da gerade passierte, riss ich mich von Thomas los. Ich brauchte einen Moment, bis ich meinen Zorn so weit herunte r schraub en konnte , dass ich wieder in der Lage war , zu reden, anstatt zu schreien.
„Thomas. Wenn du das je wieder versuchst, dann … rufe ich Lissy an. Wir hä t ten uns sicher eine Menge zu erzählen.“ Obwohl ich das kleine Flittchen nicht au s stehen konnte . Ich bin wirklich niemand, der das Scheitern einer Beziehung nur auf den vermeintlichen Ei n dringling schiebt, aber sie hatte sich an Thomas herangemacht, obwohl sie wusste, dass ich schwanger war . Vielleicht sogar de s halb. In meinen Augen war sie genau das, ein Flittchen.
Ein Schneewittchen-Flittchen. Jawohl.
„Ich glaube, du und Lissy, ihr verdient einander. Und ich sage dir zum letzten Mal: Ich möchte wirklich nie wieder etwas mit dir zu tun haben.“
Ich ging um ihn herum, öffnete meine Autotür und stieg ein.
Thomas starrte mir hinterher, als ich losfuhr. Diesmal konnte ich seinen G e sichtsausdruck in der Dunkelheit nicht erkennen.
Aber er war mir ohnehin egal. Wirklich ganz egal.
Ich dachte an Julian und brach in Tränen aus. Mein Auto war nicht der beste Platz, um ihnen freien Lauf zu lassen, aber auch nicht der schl echteste .
*
Julian verließ den Aufzug und wurde bereits von Andrej und Sam er war tet. Er sah sofort, dass es Schwierigkeiten gab , und Andrej nickte bestätigend. „Wir mü s sen reden.“
Julian folgte ihnen in einen der kleinen Räume, und Sam schloss die Tür. Er und Andrej sahen sich an. Wie sehr ihm diese Blicke auf die Nerven gingen. Aber er drängte seinen Zorn zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und war tete.
„Sonya wurde überfallen. Sie ist jetzt unten in der Krankenstation, aber es geht ihr schon besser.“
„Was ist passiert?“
„Gregor. Aaron hat es gespürt, die Verbindung war noch stark genug. Nach seinem Anruf sind wir sofort zu ihr . Wir konnte n sie noch kurz vor Sonnenau f gang vo m Balkon ziehen.“
„Was hat er mit ihr gemacht?“
„Sie waren zu zweit. Sie hatte überall Bisswunden. Ihr Blutverlust war enorm.“
„Was noch?“
„Sonst hat er ihren Köper nicht geschändet.“ Sam seufzte. „Aber ihr Geist? Ich war mir nicht sicher, ob wir sie zurückbekommen würden.“
„Eben war sie das erste Mal ansprechbar“, ergänzte Andrej. „Als Eva ihr e r zählt hat, dass Aaron auf dem Weg zurück nach Berlin ist . “
„Gott sei Dank.“ Julian ließ die Arme sinken. „Ihr habt Sonya das Leben gere t tet.“
Sam hob die Schultern. „Ich tippe eher auf Damian. Ich hätte es nicht er war tet, aber er ließ sich am hellen Vormittag von Steffen abholen. Ich glaube, er hat sie mit seinen Hei l kräfte n gerettet.“
„ Davon gehe ich aus “, meinte Julian nachdenklich. „Jedenfalls habt ihr alles richtig gemacht.“ Es war auch richtig gewesen , ihn nicht einzubeziehen, dachte er, ohne es ausz u sprechen. Er hätte Sonya wirklich nicht helfen können. Bei all dem Blut hätte er nur mit sich selbst zu tun gehabt, das hatte n Sam und Andrej richtig vorausges e hen.
Sonya war im
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