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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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Blut genommen“, bemerkte Gregor gut gelaunt und ließ von mir ab. „Wir hätten gar nicht so weit fahren brauchen. Es gibt keine Verbindung, mit der er sie aufspüren k ö nn te . Vielleicht hat sie recht und es liegt ihm weit w e niger an ihr, als ich dachte.“

Kapitel 23
     
    V
    or dem Fenster tanzten Schatten im Takt mit dem Wind. Es regnete sanft und so, als würde es nie aufhören. Draußen, hinter dem Fenster, wurden aus den Schatten kahle Äste, die durch die zugezogenen Vorhängen nur schemenhaft zu erkennen waren. Sie verwoben sich mit dem leisen Geräusch des Regens und wurden zu der einzigen, beruhigenden Wirklichkeit, die existierte.
    Ich lag auf dem Sofa, hatte keine Schmerzen und keinen Zugang zu meinem Körper. Innerlich schrie und weinte ich, während ich wusste, dass mein entspanntes Gesicht keine Regung zeigte.
    Nachdem Gregor mich erniedrigt, verängstigt und mit meiner Erinnerung gequält hatte, war es noch lange nicht vorbei gewesen. Denn nun kamen körperliche Schmerzen hinzu. Sie waren beide über mich hergefallen. Meinen Körper hatten sie nicht vergewaltigt, obwohl Gregors Begleiter lautstark Anspruch auf ihn erhob. Gregor verweigerte ihm seinen Wunsch. Nicht, um mich zu schützen. Sondern um seine Macht zu demonstrieren und seinen Gefährten zu frustrieren. Und um meine Ängste weiter zu schüren, denn ich wusste, dass mir am nächsten Abend nichts erspart bleiben würde. Die Augen des Jüngeren waren dunkel und feucht wie Schlamm. Sie saugten sich wie Blutegel an mir fest. Ich hörte seine Stimme in meinem Kopf, sie flüsterte mir zu, was er mit mir machen und wo er morgen überall in mich eindringen würde. Um mich vergewaltigt zu fühlen, musste ich ihn nicht erst in mir spüren.
    Einstweilen hatten sich beide mit meinem Blut begnügt. Ihre Bisse in meinen Hals waren unglaublich schmerzhaft, und ich ertrug sie stumm, unfähig, mich zu wehren und auch nur eine Miene zu verziehen. Noch schlimmer war es, sie beide zu spüren, an mir zu spüren, ihre Gesichter, die sich an mir rieben, ihre kalten Hände und gierigen Münder, die Blut aus mir heraussaugten. Gregor war sexuell nicht an mir interessiert, aber Martin bediente sich nicht nur an meinem Hals, sondern auch an meinen Brüsten. Er biss, forschte, fingerte, knetete und quetschte, bis mir lautlos die Tränen liefen vor Angst und Schmerz.
    Endlich zogen sie sich gemeinsam ins Schlafzimmer zurück.
    Die Regentropfen trommelten stetig gegen die Fensterscheiben, und einmal hörte ich das Geräusch von Autoreifen auf der nassen Straße, sonst blieb alles still. Mir kam es vor, für Stunden, aber ich hatte längst jedes Zeitgefühl verloren. Irgendwann erkannte ich durch die Gardinen die Helligkeit des Tages, und für einen tröstlichen Moment schien die Sonne.
    Draußen fing zögernd das Leben an.
    Ich konnte alles hören, vorbeifahrende Autos, das Kläffen eines Hundes, ein überlautes Autoradio. Aber niemand hörte mein lautloses Schreien. Sah die Tränen, die über mein Gesicht liefen.
    Die normale Welt war da draußen, unerreichbar hinter einer Wand aus Beton und einer dünnen Scheibe aus Glas. Meine war in einen Nebel aus Schmerz und Tränen versunken.
    Ich dachte an die junge Frau, die man tot vor dem Eingang des Palmengartens fand. Die Zeitungen waren voll von ausführlichen Berichten und Beschreibungen, und ich erinnerte mich an ihre schlimmen Halsverletzungen.
    Würde man auch von mir so berichten? Von einem weiteren Alexanderplatz-Opfer?
    Das war erst der Anfang gewesen. Was würden sie mir später antun, heute Abend? Morgen? Ich war mir sicher, dass mein Körper die nächste Nacht überleben würde. Und die weiteren Nächte, die sie mich als Geisel nutzen wollten. Aber ich glaubte nicht, dass meine Seele das überstehen könnte.
    Ich musste etwas tun. Ich musste mir selbst helfen, mich bewegen, und zwar vor Sonnenuntergang. Irgendwie. Stell dich nicht so an, ermahnte ich mich. Jammern hat noch nie geholfen. Wütend versuchte ich, meinen gefühllosen Körper durch die Kraft meines Willens unter Kontrolle zu bringen. Meine Kontrolle.
    Ich kann, ich will, ich muss.
    Meine Wunden schmerzten, und Durst quälte mich. Verzweifelt biss ich die Zähne zusammen. Ich biss die Zähne zusammen, immerhin. Und dann schaffte ich es, ganz langsam den Kopf zu drehen. Ich vergrößerte meine Anstrengungen, wusste nicht, wie lange es dauerte, dann konnte ich Arme und Hände ebenfalls bewegen, aber meine Angst war zu groß, um mich darüber zu

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