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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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Lächeln. „Überdies neige ich nicht zu dr a matischen Gefühlsausbrüchen.“
    Das glaubte ich sofort. Er bewahrte seine Gefühle lieber im Gefrie r schrank auf.
    „ War um sind Sie eigentlich persönlich gekommen, anstatt anzurufen?“
    „Herr Hartmann war leider nicht in der Lage, mir eine Telefonnummer zu g e ben. Oder eine Adresse. Ich bin seinen Beschreibungen und Hinweisen g e folgt.“
    „Seinen Beschreibungen und Hinweisen? Dann ist Ihr Engagement noch gr ö ßer, als ich dachte.“ Seine Stimme war unbeteiligt, sein Blick intensiv.
    Ich spürte, wie ich nun doch errötete. Auch wenn mein Verstand alles an ihm ablehnte, hätte ich ewig dieses Gesicht betrachten können.
    „ War um sind Sie eigentlich nicht auf die Idee gekommen, Herrn Hartmann als vermisst zu melden?“
    „Richard hat mir von einem heftigen Streit mit Christian erzählt und macht sich große Vorwürfe . Die Möglichkeit bestand , dass Christian Berlin aus einer impu l siven Laune heraus verlassen ha ben könnte . Wie g e sagt, die beiden sind noch sehr jung und emotional.“
    Das war jetzt schon das zweite Mal, dass Julian das junge Alter von Christian und diesem Richard b e tonte. Wieso sprach er, als wäre er schon achtzig, obwohl ich ihn nicht älter als höchstens dreißig schätzte?
    „Und ein Streit unter Freunden kann wohl kaum ein Grund sein, die P o lizei zu bemühen. Selbst wenn es ärgerlich ist, einen guten Mitarbeiter zu verli e ren.“
    Ich lauschte diesen glatten und höflichen Worten und versuchte, mir aus diesen Informationen ein Bild von Christians Situation zu machen, was mir nicht recht gelang. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Julian mich anlog – oder nicht die volle Wahrheit sagte. Irgendetwas war jedenfalls faul an dieser kuscheligen , kleinen Firma mit ihren emotionalen und impulsiven Mitarbeitern. Vielleicht war sie in kriminelle Geschäfte verwickelt? Drogen? Prostitution? Schmuggel oder Geldw ä sche? Aber das ging mich zum Glück nichts an. Die aktuelle Gesundheit von Christian Hartmann war alles, was mich zu interessieren brauchte.
    Ich lotste den Wagen zum westlichen Seiteneingang der Klinik. Während der Fahrer im Wagen sitzen blieb, stieg Julian aus und öffnete mir die Tür.
    Der Nachtpförtner hob den Kopf, um festzustellen, wer ihn beim Lösen seines Kreuzworträtsels störte. Als er mich erkannte, nickte er kurz. Er war nicht übe r mäßig überrascht, schließlich hatte ich die Klinik schon oft zu ungewöhnl i chen Zeiten betreten oder verlassen. Meinen Begleiter ignorierte er.
    Ich ging durch das menschenleere Gängelabyrinth, Julian dicht an meiner Seite. Vor der Geschlossenen öffnete ich meine Handtasche und angelte nach dem langen Band, an dem mein Diens t schlüssel hing.
    „Frau Langner?“ Unversehens spürte ich Julians Berührung. Seine Finger sch o ben vorsichtig den Ärmel meines Mantels nach oben. „Was ist das?“ Seine Sti m me klang leise und besorgt. Er starrte auf den roten Kreis an meinem U n terarm, dann in mein Gesicht.
    D er Kreis. Ich hatte ihn ganz vergessen, aber Julian hatte ihn bemerkt . N un meldete sich meine Angst zurück . Ich riss mich los, rieb über mein Handg e lenk und starrte ihn wütend an.
    Er beobachtete mich. Dabei veränderten sich seine Augen, wurde n dü s ter und schienen sich aufz u laden wie durch einen aufziehenden Sturm.
    „Christian “, sagte er zornig. „Was ist vorgefallen?“
    Vorgefallen? „Nichts.“
    „Haben Sie ihn berührt?“
    „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“, sagte ich verärgert. Sein Gefühlsau s bruch irritierte mich, und ich fand es schwer, dem Blick dieser Augen standzuha l ten. Klar hatte ich Christian berührt. Ich und das gesamte Pflegeperso nal der Geschlossenen. Außerdem hatte ich seinen Geist berührt und ve r sucht, ihn zu erforschen. Aber das behielt ich für mich.
    Julian ließ mich nicht aus den Augen . Ich sah, wie der Zorn lan g sam aus seinem Gesicht verschwand und sich der Ausdruck darin veränderte . Er hob die Hand und für einen Moment glaubte ich, sie würde mein Gesicht b e rüh ren. Ich hielt den Atem an. Seine Hand stoppte, dann rieb er sich die Stirn und seufzte. Dabei zeigte er noch mehr Gefühle. Tiefe Erschöpfung. U n ruhe und Mitgefühl. Darauf konnte ich allerdings verzichten.
    Sofort wurde sein Gesicht wieder ausdruckslos. „Bitte bringen Sie mich zu Christian.“
    Das ist wohl das Beste, dachte ich verwirrt. Ich drehte Julian hastig den Rücken zu und öffnete die Tür. Der Flur

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