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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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nicht, Julian. So viele Bekenntnisse. So viel Aufrichtigkeit.“ Die deutliche Mahnung hinter Armandos lockeren Worten war nicht zu überhören.
    „Vielleicht sechs Wochen“, sagte Julian unbestimmt.
    „Sechs Wochen?“
    „Sechs Wochen!“ Allmählich wurde er ärgerlich. Vor allem auf sich selbst.
    „Aber … warum? Das ist gefährlich.“
    Julians Zorn flackerte auf. „Es gab gute Gründe“, sagte er knapp.
    „Welche?“
    „Das Treffen des Stiftungsrats. Der Besuch aus London. Die Sache mit Christian.“ Er zögerte, überlegte, wie er seine Ahnung in Worte fassen konnte. Seine Intuition, was immer die auch sagen wollte. „Außerdem …“
    Armando wartete diese Erklärung nicht ab und schüttelte den Kopf. „Der Besuch hätte verschoben werden können. Sam ist ebenfalls im Stiftungsrat und hätte dich vertreten können. Und Christian?“ Armandos Tonfall bewies seine Geringschätzung. Dann sah er seinen Freund eindringlich an. „Du musst zugeben, dass du seltsame Gründe gefunden hast, um das Arkanum aufzuschieben.
    Du glaubst immer, für alles und jeden allein verantwortlich zu sein. Ich verstehe sowieso nicht, wie du all das schaffst, was du dir auflädst. Du bist unser Anführer, Julian, und wir alle lieben und verehren dich. Niemand verkörpert die Grundsätze der Gemeinschaft so sehr wie du. Und da glaubst du, dein Arkanum einfach ignorieren zu können? Wach auf. Du musst dir unbedingt eine Auszeit nehmen, genau wie wir alle, oder willst du zuerst jemanden umbringen? Sag Georg Bescheid und schließ dich irgendwo ein. Leg dich hin und lass es zu. Schlafen. Träumen. Du kennst das ja. Und in einigen Wochen fühlst du dich wie neugeboren.“ Armando schüttelte den Kopf. „Bis zu meinem nächsten Arkanum muss ich noch etwa zehn Jahre warten. Leider.
    Obendrein verlierst du das wirklich Wichtige aus den Augen. Zum Beispiel Pierre. Pierre ist ein alter Sack genau wie du und hat es auch nie gelernt, über seine Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen.“
    „Im Gegensatz zu dir“, sagte Julian ironisch. Er merkte, wie der Zorn erneut in ihm aufstieg. Er hatte es wirklich nicht nötig, sich Armandos Ermahnungen anzuhören.
    „So wie ich“, bestätigte Armando und nickte würdevoll. „Pierre mit seiner Contenance …“
    „Zur Sache, Armando.“
    Armando hob die Schultern. „Pierre wird deine Unterstützung brauchen. Oder willst du den dritten März im Tiefschlaf verbringen? Diese alte Hexe wird sicher wieder versuchen, ihn zu sich nach Paris zu rufen. Letztes Jahr schien es ihr schon verdammt ernst zu sein. Und ich weiß, dass Pierre sich Sorgen macht, auch wenn er nicht darüber redet.“
    Julian starrte ihn an. Armando hatte recht. Wie hatte er das bloß vergessen können? „Dafür, dass du fast nur noch vor dem Computer hockst, bist du erstaunlich gut informiert.“
    „Ja. Auch über allen Tratsch. Übrigens viel besser als du, könnte ich wetten, aber lenk jetzt bloß nicht ab. Außer dir gibt es noch andere, die mich noch nicht komplett aufgegeben haben. Eva zum Beispiel. Sie war ja Maries beste Freundin.“
    Julian vermutete, dass Eva auch noch andere Gründe hatte. „Wie hast du das überhaupt geschafft, die letzten sechs Wochen? Ohne ein Blutbad anzurichten? Mann! Du würdest jedem anderen den Arsch aufreißen.“
    „Vermutlich.“
    „Egal. Da stecken wir anscheinend beide ganz schön im Chaos fest“, stellte Armando vernünftig fest. „Und wie soll es weitergehen? Wann willst du dein Arkanum ankündigen?“
    „Heute, im Inneren Kreis.“
    „Gut. Mann, da wirst du ganz schön in Erklärungsnot geraten. Was für ein Glück, dass du mich dabei hast.“
    Julian hob langsam die Brauen. „Großes Glück“, stimmte er zu. „Hast du eigentlich Kontakt zu Sonya?“
    „Ja, über das Netz“, antwortete Armando prompt. „Eigentlich chatten wir täglich.“
    „Und wann hast du Sonya das letzte Mal gesehen?“
    Armando überlegte und zuckte die Achseln. „Das muss schon ziemlich lange her sein.“
    „Sie hat sich sehr zurückgezogen.“
    „Ich weiß. Und ich kann sie verstehen. Es hat sie völlig aus der Bahn geworfen, dass Aaron sie verlassen hat.“
    „Hat Sonya dich in die Computerwelt eingeführt? Oder war es umgekehrt?“
    „In die Computerwelt?“, fragte Armando verständnislos. „Mann, Julian. Ich glaube, da bist du wirklich nicht auf dem Laufenden. Was hast du die letzten dreißig Jahre gemacht? Mit einer Tastatur kannst du aber schon umgehen, oder? Und was glaubst du

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