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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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eigentlich, tue ich hier die ganze Zeit? Monster abschießen?“
    Julian zuckte die Achseln.
    „Na ja. Ab und zu vielleicht. Aber ich mache auch andere Sachen. Wenn du willst, kann ich dir einige zeigen. Hast du Lust?“
    „Warum nicht?“
    Armando stand auf. „Ich bin gleich zurück. Zuerst muss das Baby wieder laufen lernen.“
    Julian nickte. Gut, so weit. Sonya vergrub sich nicht länger in ihrer Wohnung. Armando würde an der Sitzung des Inneren Kreises teilnehmen und hatte sein Wort gegeben, sich künftig wieder in die Gemeinschaft einzubringen.
    Für die praktische Umsetzung würde er schon sorgen.
    Wobei er sein Arkanum schon wieder vergaß.
     
    *
     
    Es war schon spät, und ich musste die engen Straßen viel zu oft auf und ab fahren, bis ich endlich einen Parkplatz zwei Querstraßen von meiner Wohnung entfernt fand. Mit seinen sorgfältig sanierten Häusern aus der Gründerzeit, den gepflegten Vorgärten und den vielen Straßenbäumen ist Friedenau eine der schönsten Wohngegenden in Berlin. Allerdings wurden die Häuser zu einer Zeit gebaut, als man noch nicht an die Notwendigkeit von Parkplätzen denken musste.
    Ich hatte wieder einmal viel zu viel Zeit in der Klinik verbracht, dabei wollte ich heute sogar früher nach Hause. Für meine Verabredung mit Julian waren längst noch nicht alle Kleidungsfragen geklärt. Ich schüttelte den Kopf. Allein der Gedanke an Julian sandte Hitze in meinen Schoß. Und ein albernes Grinsen in mein Gesicht. Vielleicht würde ich in Zukunft häufiger Gründe finden, pünktlich nach Hause zu kommen. Ich wünschte es mir sehr.
    Ich quetschte meinen Wagen in eine schmale Lücke. Der Novemberregen strömte stark und unerbittlich. Natürlich befand sich mein Schirm in der Klinik, und die Platanen gaben keinen Schutz.
    Ich hatte das Haus fast erreicht, als ich dieses seltsame Ziehen in meinem Rücken spürte, das mich bei meiner ersten Begegnung mit Julian so erschreckt hatte. Erst schwach, dann immer stärker.
    Julian?
    Ich blieb stehen. Die Straße war düster und menschenleer, der Regen verschluckte jedes Geräusch. Mein Instinkt riet mir zu laufen, doch ich stand wie angewurzelt. Das Kribbeln in meinem Rücken nahm zu.
    Ebenso wie meine Angst.
    Ich wischte mir eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Meine Hände zitterten. Endlich schaffte ich es, mich in Bewegung zu setzen. Die letzten Schritte bis zur Haustür rannte ich. Ich zog die Haustür hinter mir zu und lief die Treppe nach oben. Erleichtert tastete ich nach dem Lichtschalter im Flur, öffnete meine Wohnungstür, trat ein und drehte den Schlüssel zweimal um. Das schwere Stangenschloss rastete ein. Ich lehnte mich an die Tür und wartete, bis sich mein Herzschlag langsam beruhigte. Das Telefon lag in der Ladestation, und ich nahm es heraus. Ich war allein, aber ich könnte den Notruf wählen. Ich ging in das dunkle Wohnzimmer und schaute hinaus. Im Licht der Straßenlaternen funkelten Fäden aus Regen. Außerhalb des Lichts verschwamm alles in dumpfem Grau. Die Straße wirkte fremd, trostlos.
    Das Ziehen in meinem Rücken hatte nachgelassen. Dennoch, das Gefühl, beobachtet zu werden, blieb bestehen, und ich musste mich zwingen, meinen Platz am Fenster zu behaupten. Ich kämpfte gegen meine Furcht und beobachtete die Straße so lange, bis ich nur noch gegen die Dunkelheit anblinzelte und mich endlich beruhigte.
    Müde. Hysterisch. Und paranoid.
    Ich spürte den Impuls, Julian anzurufen, aber ich hatte nur die Nummer der Nacht-Patrouille. Zum Glück. Was sollte er von mir denken, wenn ich ihn anrief, um von meiner albernen Verfolgungsangst zu erzählen?
    Herrje. Ich war doch lange genug ohne starke Schulter ausgekommen. Außerdem würde ich ihn morgen wiedersehen. Um mich nicht ganz so einsam zu fühlen, schaltete ich den Fernseher ein und konzentrierte mich auf eine Krimiserie, die in immer neuen Großaufnahmen frische und verweste Leichenteile aus mindestens zwanzig verschiedenen Blickwinkeln zeigte. Was für eine Ablenkung.
    Ich fasste den Entschluss nicht zu warten, bis die Spezialeinheit den irren Mörder stellte. Lieber wollte ich im Bett noch lesen. Ich dachte an Julian, schmunzelte und zog einen Liebesroman aus meinem Bücherstapel.
     
    *
     
    Früher gehörte Berlin zu den wichtigsten Industriestädten Europas, aber das ist lange her. Der Club, in dem Richard und Christian mit Andrej und einem Kunden verabredet waren, befand sich in einem ehemaligen Fabrikgebäude unmittelbar am Ufer der Spree, umgeben

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