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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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lachte. Er lachte nicht oft, aber das fand er wirklich komisch. Und lächerlich.
    „Ich kenne diesen Film. Du meinst doch diesen luschigen Kerl. Schade. Ich mag den Dunkelhaarigen lieber. Aber Spaß beiseite. Du weißt, dass ich dich mag, nicht nur, weil du ein guter Kunde bist, aber wir können für niemanden eine Ausnahme machen. Auch für dich nicht.“
    Sein Tonfall machte klar, dass dies auch nicht seinem Wunsch entsprach.
    Der Kunde seufzte, warf ihm einen frustrierten Blick zu und stand auf, um vor seinem Aufbruch noch einmal zur Toilette zu gehen.
    Andrej erhob sich ebenfalls, um sich von ihm zu verabschieden. Er trug schwarze Jeans, Stiefel und ein blaues Shirt, das nicht nur seine Augen, sondern auch seinen muskulösen Oberkörper betonte. In Anzügen fühlte er sich einfach nicht wohl. Nachdem er sich das letzte Mal in einen hineinquälte, meinte Pierre nach einer eingehenden Musterung, in dieser Aufmachung könnte er höchstens Aufträge im Drogen- oder Rotlichtmilieu akquirieren. Und da Pierre bei der Gemeinschaft in Modefragen seit langer Zeit unangefochten als höchste Instanz galt, bereitete es Andrej überhaupt keine Probleme, Pierres Urteil zu akzeptieren. Im Gegenteil. Andrej glaubte sowieso, dass ihn seine Eltern als Kind viel zu häufig in Anzüge steckten, die zwar seinem Stand, aber keineswegs seinem Naturell entsprachen. Im Übrigen drehte sich die Welt immer schneller, und er liebte es, ihre Veränderungen mitzumachen, besonders alle technischen Entwicklungen.
    Richard und Christian standen ebenfalls auf. Andrej warf Richard einen ungemütlichen Blick zu. „Heute ist das Treffen des Inneren Kreises, und ich werde mich verspäten, weil ich auf euch warten musste.“
    Richard öffnete den Mund, aber Andrej hob die Hand. „Ich will keine Ausrede hören. Das ist bereits das zweite Mal innerhalb von vier Wochen, dass ihr euch verspätet.“ Er sah weiterhin nur Richard an. „Wenn das noch einmal geschieht, könnt ihr bald die Papierfabrik bewachen.“ Andrej lächelte. „Für mindestens ein Jahr.“
    Richard und Christian sahen sich betreten an. Das war eindeutig. Die Papierfabrik lag etwa fünfzig Kilometer von Berlin entfernt, irgendwo in Brandenburg. Außerdem war sie das Langweiligste, das zum Objektschutz der Nacht-Patrouille gehörte.
    Andrejs Blick ignorierte Christian weiter, obwohl er ihn jetzt direkt ansprach. „Steffen leitet bei diesem Auftrag die Tagesschicht. Er braucht morgen die Details. Sag ihm, dass ich Jonny um neunzehn Uhr im Hotel abholen werde.“
    Der Blick seiner blauen Augen blieb endlich an Christian hängen, der ängstlich auf seine Schuhe starrte. „Ihr dürft jetzt gehen.“

Kapitel 14
     
    E
    s war alles für das Treffen vorbereitet.
    Der Raum war sparsam eingerichtet, die fensterlosen Wände weiß gestrichen. Die Sachlichkeit wurde einzig durch ein großes Ölgemälde unterbrochen. Es zeigte Spaziergänger in der prachtvollen Kleidung des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, die in vornehmer Würde durch die alte Prachtstraße Berlins, Unter den Linden, flanierten. Im Hintergrund, unter einem blauen Himmel voller Schäfchenwolken, präsentierte sich das Brandenburger Tor.
    Unter dem Bild standen Andrej, Sam, Eva, Pierre und Oliver. Nur Jack fehlte. Die Unterhaltung brach ab, denn der gemeinsame Auftritt von Julian und Armando, dessen linkes Auge noch immer eine deutliche Schwellung zeigte, zog sofort alle Aufmerksamkeit auf sich.
    Julian nahm Platz, erst dann setzten sich die anderen. Julian blickte gleichmütig in die Runde und sammelte sich. Es würde alles andere als einfach werden. Aber er berichtete offen über das überfällige Arkanum und beschrieb seinen Zustand, wobei er sich keine Mühe gab, seine Verfassung zu beschönigen.
    Danach herrschte verblüfftes Schweigen.
    Julian saß regungslos und spürte nach, was seine Enthüllung auslöste. Da war Evas Verunsicherung, Sams Besorgnis, Armandos gespannte Neugier, mit der er auf die Reaktion der anderen wartete, und Andrejs schmerzliche Enttäuschung, der er unbedingt nachgehen musste. Olivers Gesicht blieb freundlich wie immer, die Empfindungen abgeschirmt. Bei Pierre blieben seine Gedanken hängen. Pierres Gefühle verbargen sich hinter einer sorgfältig gepflegten Mauer aus Gelassenheit, die auch dieses Mal nicht bröckelte. Julian verspürte den zornigen Impuls, diese Mauer niederzureißen, ihre Stärke zu prüfen und herauszufinden, wie groß der Widerstand war, den er brechen musste, um Pierre

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