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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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mit mir gegessen. Ich hatte ihn nicht bei Tageslicht gesehen.
    Die magischen Fähigkeiten der Vampire, von denen Christian erzählte. Die mit diesem Arkanum, oder wie diese verschiedenen Stufen hießen, in Zusammenhang standen. Ihre charismatische, machtvolle Ausstrahlung, die Christian so sehr faszinierte. Julians Fähigkeiten. Seine erstaunliche Anziehungskraft, der ich selbst erlegen war. Das Interesse, das er der Dokumentation von Christians Wahnvor stellungen entgegenbrachte.
    Diese Ehrerbietung, die man Julian erwies. Ihm, dem Anführer der Vampirgemeinschaft. Und meine merkwürdige Reaktion auf die beiden Frauen in der Philharmonie.
    Als wäre ich ein Vampir-Detektor. Aber Vampire gab es nicht.
    Verflixt.
    Ich grübelte so lange, bis sich meine Gedanken drehten, verwoben und zu Knoten wurden, die ich nicht entwirren konnte. Als mein Wecker klingelte, hatte ich das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein.

    *
     
    Julian schrak aus dem Schlaf. Der Albtraum war vertraut.
    Es ist vierhundert Jahre her, Elisabeth.
    Ihr Aussehen verlor sich immer tiefer in seiner Erinnerung, doch noch immer sah er diesen Ausdruck im Gesicht seiner Frau. Hass und Furcht in ihren Augen.
    Als würde ihn ihre Abscheu ewig verfolgen.
    Seine Familie hatte auf einem Gut in Brandenburg gelebt. Er war davon ausgegangen, dass er, als ältester Sohn, sein ganzes Leben dort verbringen würde.
    Bis der Krieg kam. Und blieb.
    Seine Mutter war zu ihm gerannt. Ein Trupp Soldaten hatte den Vater mitgenommen, als der sich weigerte, Geld und Schmuck auszuhändigen. Julian ritt zu ihnen, wie sie es verlangten. Damals war er noch so naiv, zu glauben, seinen Vater mit Ehrlichkeit befreien zu können. Die Männer hatten den Vater gefoltert, aber erst Julians Gefangennahme brachte ihn dazu, das Versteck ihrer wenigen Reichtümer preiszugeben. Julian beeilte sich, alles auszugraben. Er ritt so schnell wie möglich zurück. Doch als er alles aushändigte, war sein Vater bereits tot.
    Als die Soldaten mit ihm genauso verfahren wollten, kam Bernhard mit seinen Männern. Sie töteten die Soldaten, und weil Julian im Sterben lag, bot Bernhard ihm die Wandlung an.
    Vampire. Bernhard. Die Andersartigkeit der Gruppe und ihre kalte, tödliche Entschlossenheit. Die Wandlung, der er zustimmte, ohne zu wissen, auf was er sich einließ, die alles veränderte, woran er glaubte, fast mehr, als sein Verstand ertrug. Bernhard zeigte sich beeindruckt von seiner Willensstärke und akzeptierte seine Entscheidung, nach Hause zurückzukehren, um seine Familie zu schützen.
    Die Familie hatte ihn ebenfalls für tot gehalten, was ja auch stimmte. Seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester nahmen sein Opfer nach vielen Erklärungen, Tränen und Fragen an.
    Ausgerechnet seiner Frau war das nicht möglich. Elisabeth klagte ihn an, beschimpfte ihn, er habe seine ewige Seele verkauft und prophezeite allen, die bei ihm blieben, Höllenqualen.
    Elisabeth bereitete ihre Flucht heimlich vor. Zwei Tage später im Morgengrauen und Regen ließ sie alles zurück, auch ihre Kinder, vermutlich, um ein Kloster zu erreichen. Julians Bruder tat, was ihm selbst nicht mehr möglich war. Er suchte sie bei Tageslicht. Aber ihre Spur verlor sich schon bald, sie war nie in dem Kloster angekommen. Julian verfolgte ihren Weg in der Nacht, konnte ihre Fährte aber ebenfalls nicht finden. Er sah seine Frau nie wieder.
    Julian lernte, als Vampir zu leben, seinen Durst zu kontrollieren. Seine Familie nährte ihn und ebenso die durchziehenden Vampire der Gemeinschaft.
    Immer mehr Soldaten verwüsteten das Land. Soldaten, Landsknechte, Söldner von unterschiedlichen Armeen, letztendlich machte es keinen Unterschied. Erst stahlen sie die Ernte, dann das Vieh. Menschen hungerten, flüchteten oder wurden verschleppt. Schließlich war das Dorf leer, alle Bauern fort. Das Land lag brach. Als das Haus immer wieder durchsucht und geplündert wurde, zogen sie in das kleine Kutscherhaus.
    Julian versuchte alles, um seine Familie zu schützen. Er grub einen Fluchtweg in eine kleine Baumgruppe, für alle Fälle. Und er versuchte, sie zu ernähren. Er jagte nachts. Bis es auch nichts mehr zu jagen gab.
    Irgendwann brannte das Haupthaus nieder.
    Er beschwor seine Familie, nur noch nachts mit ihm hinauszugehen, aber Menschen brauchen Licht.
    Sein Sohn starb an einem Nachmittag auf der Flucht vor Soldaten. Seine Mutter und seine kleine Tochter starben an einem Fieber. Sein Bruder wurde verschleppt. Er verfolgte die

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