Novemberrot
könnte. Nach dieser gedanklichen Auszeit wies er daher seinen erfahrenen Kollegen nochmals energisch darauf hin, dass man den Maiers absolut nicht trauen könne und seines Erachtens der Hebel gezielt bei denen angesetzt werden müsse. Hauptkommissar Schuster merkte seinem sonst so nüchtern agierenden Partner deutlich an, dass der Fall ihn offenbar emotional ergriffen und er richtig Blut geleckt hatte. Also beschlossen sie, dass Weller am nächsten Tag die betreffenden Personen und den Tatort in Mayberg nochmals genauer unter die Lupe nimmt, während sich Schuster um den lästigen Schreibkram kümmern und der Rechtsmedizin Dampf machen sollte.
Außerdem waren die Kriminaltechniker bereits seit dem frühen Nachmittag damit beschäftigt, den Mercedes des Toten haargenau zu untersuchen, um den beiden Kommissaren die vielleicht entscheidende Spur zum Täter liefern zu können. Die Erarbeitung dieser Ergebnisse nahm jedoch erfahrungsgemäß einige Tage in Anspruch, sodass frühestens zum Beginn der kommenden Woche damit zu rechnen war. Hauptkommissar Schuster, dem der lange, intensive Arbeitstag nun doch sichtlich anzumerken war, stand müde auf, zog sich seinen hellgrauen Mantel über und beendete für heute die Untersuchungen .
» Komm, Feierabend, genug für heute, morgen ist auch noch ein Tag und außerdem läuft uns der Tote nicht davon«, mit diesen Worten öffnete er die Zimmertür. Kommissar Weller winkte nur kurz ab, dass er sich noch ein paar Gedanken zu der Sache machen wolle, aber auch nicht mehr allzu lange blieb und dass er sich morgen telefonisch aus Mayberg melden würde. Winfried Schuster ließ seinen Kollegen darauf alleine im Büro zurück und verabschiedete sich von ihm mit einem freundlichen »Dann gute Nacht, Fritz!«.
»Fritz, schön dich noch anzutreffen, ich habe eine Menge Neuigkeiten.« Steffi Franck war gegen zwanzig Uhr endlich aus Mayberg zurück und begrüßte ihren Kollegen, der vorgebeugt über einem Berg von Papieren brütete. Seine Antwort blieb jedoch aus. Irgendwo mitten im Wust der einzelnen Dokumente hatte er ein Schwarz-Weiß-Foto von Rosi entdeckt, auf dem sie im Alter von etwa fünfundzwanzig Jahren abgelichtet war.
Es zeigte sie mit offenen, mittellangen, blonden Haaren und einer dunklen Spange, mit deren Hilfe die rechten Strähnen zurückgesteckt waren. Dazu trug sie eine helle Bluse, wobei der oberste Knopf geöffnet war. Er hielt das kleine Bild in seiner rechten Hand und starrte es so intensiv an, dass er seine Partnerin zunächst nicht bemerkte. Erst als Steffi mehrfach hintereinander kräftig niesen musste und sie parallel dazu die grelle Deckenbeleuchtung anknipste, wurde Weller jäh aus seinem Tagtraum gerissen .
» Ach du bist es, was gibts Neues?«, begrüßte er sie, als wenn er soeben bei einer Sache, die eigentlich verboten war, von ihr ertappt worden wäre .
» Guten Abend erst mal!«, antwortete die Kommissarin energisch .
» Ja sorry, guten Abend, schön dich zu sehen«, entschuldige sich Fritz postwendend und erklärte, dass er sich die Unterlagen von damals schon mal vorgenommen habe, aber irgendwie ihn die alten Erinnerungen wieder eingeholt hatten.
Er nahm einen großen Schluck Kaffee aus seiner Tasse, musste jedoch feststellen, dass der inzwischen eiskalt geworden war. Weller kommentierte diese Tatsache zischend mit den Worten: »Puuh, das ist harter Stoff! Willst du auch einen?«
Doch Steffi, die das herbe Gebräu ihres Kollegen kannte, winkte dankend ab. Mit der Linken wischte sie ihre roten Haarsträhnen aus dem Gesicht und konnte nun endlich die gewonnenen Erkenntnisse des Tages an den Mann bringen .
» Zuerst hatte ich mir den Motorradhändler Peter Krause und dessen Frau Inge vorgenommen. Eigentlich hatten sie, wie beide einstimmig zu Protokoll gaben, mit dem Toten kaum Berührungspunkte. Außer der Sache bei der letzten Kirmes, bei der sich Manfred Kreismüller an Frau Krause rangemacht hatte, was dem, wie ihr Mann triumphierend bestätigte, ein ordentliches Veilchen einbrachte. Danach habe der jedoch keine Anstalten mehr gemacht, seine Frau anzugraben. Hm, der Krause schien wirklich davon überzeugt zu sein, aber ihr Blick verriet mir, dass sie nicht unbedingt die Aussage ihres Gatten teilte. Außerdem kam sie mir zudem von Anfang an bekannt vor. Irgendwo hatte ich sie vorher schon mal gesehen, doch nicht in deren Laden, denn dort war ich heute das erste Mal in meinem Leben. Und was soll ich dir sagen, eben auf der Heimfahrt fiel es mir
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