Novemberrot
Zuoberst lagen einige Aufnahmen des Tatortes, gefolgt von diversen Zeugenaussagen, sowie handschriftlichen Vermerken und Notizen, welche Fritz im Laufe der Ermittlungen an die Seitenränder der Dokumente gekritzelt hatte. Dazu noch ausgeschnittene Artikel der örtlichen Zeitungen, inklusive einer Mitschrift der vom damaligen Polizeipräsidenten abgehaltenen Pressekonferenz.
Hastig überflog er zunächst die Unterlagen, in der bloßen Hoffnung, den vielleicht entscheidenden Hinweis für seinen aktuellen Fall schnell daraus erhaschen zu können. Doch wie Weller insgeheim befürchtet hatte, war dem leider nicht so und daher breitete er die Dokumente vor sich auf dem Tisch nun großflächig aus. Sein erstes Augenmerk legte er jetzt gezielt auf die einzelnen Zeugenaussagen und begann mit jener eines gewissen Werner Maier.
Kapitel 8
Ungefähr fünf Kilometer vor Burgstadt konnte Kommissar Weiler, auch durch noch so heftiges Treten der Fußpumpe, dem Behälter der Wischanlage keinen Tropfen klaren Wassers mehr entlocken, um die Windschutzscheibe vom aufgewirbelten Schmutz der vorausfahrenden Fahrzeuge zu befreien. So mussten sie gezwungenermaßen immer wieder am Fahrbahnrand anhalten, um mit Winfrieds gutem Stofftaschentuch, welches er von seiner Frau letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte, und reichlich Spucke ein ausreichend großes Guckloch freizuhalten, bis sie letztlich fast im Blindflug in ihrem völlig verdreckten Opel Rekord in die, neben dem Präsidium gelegene, polizei-eigene Waschhalle einbogen .
» An welcher Rally habt ihr den teilgenommen?«, begrüßte Kfz-Meister Felix Klein die beiden lachend und mit einem ironischen Unterton in seiner Stimme. Hauptkommissar Schuster, der Klein schon seit vielen Jahren kannte, hatte sein Seitenfenster bereits heruntergekurbelt und entgegnete seinerseits übertrieben vornehm, als wenn ein aristokratischer Herr seinem Diener eine Anweisung mit auf den Weg geben wollte, dass schließlich doch nichts über eine ordentliche Landpartie ginge und sie sich gerne in der freien Natur aufhalten würden. Und wenn er schon einmal dabei wäre, ihr Gefährt vorzeigefähig herzurichten, so könnte er auch gleich noch etwas von seinem hausgemachten Wischwasser nachfüllen .
» Aber einen guten Jahrgang bitte schön«, fügte er noch mit einer majestätischen Handbewegung untermalend hinzu.
Felix in seinem grauen Arbeitskittel machte den Spaß seinerseits mit, verbeugte sich überschwänglich samt Kratzfuß und antwortete untertänig: »Ja Herr, sofort Herr.« Fritz, der immer sehr kontrolliert und anderen Mitarbeitern gegenüber recht distanziert auftrat, hatte während des Dialogs der beiden seine liebe Not, nicht lauthals loszulachen, was ihm sichtlich schwer fiel.
Nachdem nun die Grundreinigung ihres Dienstfahrzeuges ordnungsgemäß durchgeführt worden war, begaben sie Winfried Schuster und Fritz Weller in ihr Büro, um die gewonnenen Erkenntnisse des Tages, insbesondere die Zeugenaussagen der Familie des Mordopfers beziehungsweise seines Kontrahenten Werner Maier näher zu beleuchten und daraus ihr weiteres Vorgehen in dem Fall abzuleiten .
» Wie schätzt du denn den Maier und seine Frau ein?«, wollte Winfried von seinem ehrgeizigen jungen Kollegen wissen, während sie sich an ihren Schreibtischen gegenübersaßen. Alle Dörfler, welche die Beamten im Zuge ihrer Ermittlungen heute in Mayberg kennen gelernt hatten, waren, mit Ausnahme von Rosi vielleicht, besonders dem jungen Kommissar in ihrer bauernschlauen Art ein wenig suspekt.
Doch Maier setzte mit seinen kautzigen Antworten und dem gezeigten Verhalten dem Ganzen noch die Krone auf und Weller traute ihm vom ersten Moment an, als sie dessen Haus betraten, nicht für fünf Pfennige über den Weg .
» Es ist schon merkwürdig, dass er zunächst überhaupt nichts zum Tode von Kreismüller gesagt hatte und es ihn auch nicht weiter zu interessieren schien. Stattdessen legte er uns direkt die Pläne und Skizzen der Felder im Bereich des geplanten Industriegebietes vor die Nase und war bei seinen Erläuterungen ja kaum zu bremsen. Erst als du ihm nochmals mit Nachdruck zu verstehen gabst, dass er aufgrund von Zeugenaussagen durchaus zum Kreis der Verdächtigen zählte und diese Tatsache dann endlich von seinem sturen Bauernschädel realisiert wurde, zeigte er die Reaktion, welche mich in meiner Meinung ihm gegenüber noch mehr bestärkte, dass er schließlich nicht nur ein Motiv, sondern auch den nötigen Antrieb
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