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Novemberrot

Novemberrot

Titel: Novemberrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Theisen
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Tochter wechselte, nicht unbedingt von Mord und Totschlag handeln .
    » Was ist das für eine Gruppe? Ich glaube, die habe ich schon mal gehört?« Ohne lange zu überlegen lenkte Fritz das Gespräch hin zu ihrer Musik, die der in die Jahre gekommene Stereo-Kassetten-Recorder im Augenblick zum Besten gab .
    » Das sind die Ärzte. Sind absolut geil, finden Sie nicht auch?«
    »Ach ja, klar. Die sind das. Ich mag eigentlich keine deutschsprachige Musik, doch ihre rotzfrechen Texte sind nicht übel und richtig abrocken können die auch, das muss man ihnen schon lassen. Ich hab mal im Radio gehört, dass die Jungs wie ich aus Berlin stammen.« Sandra war sichtlich überrascht, dass der Polizist sie nicht wie erwartet zu Manfreds Tod befragte, sondern stattdessen irgendwelches Zeug über Musik laberte. In einer Mixtur aus Verwunderung und höflich vorgeheucheltem Interesse antwortete sie daher: »Aus Berlin? Das hört man bei ihrer Aussprache aber überhaupt nicht. Was hören sie denn am liebsten?« Die Frage Sandras nach seiner favorisierten Musik war natürlich ein gefundenes Fressen für Weller. Daher erklärte er kurz in wenigen Worten, dass er schon viele Jahre in Burgstadt leben würde und eigentlich noch nie so richtig berlinerisch geredet habe, um anschließend voller Inbrunst zu antworten: »Ich höre seit Jahren Queen.«
    »Und, traurig?« Plötzlich klang ihre Stimme weich und mitfühlend in seinen Ohren .
    » Was heißt traurig? Es hatte sich ja angedeutet. Aber die Musik lebt ja zum Glück weiter.« Nun war er gänzlich von seinem ursprünglichen Vorhaben abgekommen und minutiös präsentierte Fritz in chronologischer Reihenfolge alle Hits, nur gelegentlich unterbrochen von Sandras erstaunten Einwürfen: »Was, das ist auch von denen?« Unbewusst hatte er sich während der Unterhaltung einen der kleinen Elefanten aus dem Wandregal in seine Hand genommen. Das Stück schien aus einer Art bläulich-weiß schimmernder Keramik zu sein. Seine Oberfläche war spiegelglatt und die Konturen der Figur filigran herausgearbeitet .
    » Das ist Mondstein. Manfred hatte ihn mir letztes Jahr zu meinem Geburtstag geschenkt.« Es war Sandra nicht entgangen, dass Weller die walnussgroße Figur in seiner Hand hielt. Dann wurde sie nachdenklich: »Manfred war kein schlechter Mensch. Doch alles was er anpackte ging schief. Nichts wollte ihm so recht gelingen. Meine Großmutter sagte immer, wenn er wieder was Dummes fabriziert hatte, dass er mit der Bürde, die ihm sein Vater auferlegt hatte, nicht fertig würde.« Tränen kullerten Sandras Wangen hinunter. Sie wischte sich mit ihrem Ärmel durch ihr Gesicht. Und Weller sagte verlegen: »Sie sind der erste Mensch, mit dem ich mich unterhalte, der gut über ihn spricht. Und wie war das Verhältnis von ihrer Mutter zu Manfred?«
    »Sie gerieten sich oft wegen Nichtigkeiten in die Wolle. Aber ich glaube, insgeheim wussten beide, was sie aneinander hatten.« Sandra stockte und fuhr dann, den Polizisten mit ihren verheulten Augen ansehend, fort: »Meine Mutter erzählte mir, dass sie Sie noch von damals kennt.« Fritz hielt ihrem herzzerreißenden Blick stand, wenn es ihm auch alles andere als leicht fiel und er entgegnete nachdenklich: »Ja, das stimmt. Es war mein erster Mordfall.«
    »Ist schon seltsam, im Jahr darauf wurde ich geboren. Als ich noch klein war, fragte ich meine Mutter oft, wo denn MEIN Vater sei. Denn alle aus meiner Klasse hatten ja einen. Mmh, eigentlich hatte sie mir nie eine richtige Antwort gegeben. Nur einmal, da muss ich so ungefähr zehn gewesen sein, da nahm sie mich sanft in die Arme und sagte lächelnd, dass es Liebe war. Ich kann mich noch sehr gut an diesen Augenblick erinnern, weil sie wirklich glücklich aussah, … denn glückliche Augenblicke gabs nicht besonders viele in unserer Familie.«
    Fritz Weller und Sandra Kreismüller standen sich nun still gegenüber, so als erwartete jeder vom Anderen, endlich auf alle bohrenden Fragen die erlösenden Antworten zu erhalten. Fritz grübelte hin und her. Er war sich absolut nicht sicher, ob Rosi ihre Tochter am Ende nicht doch in die Geheimnisse der besagten Liebesnacht im November 1967 eingeweiht hatte und Sandra es nun nur aus seinem eigenen Munde bestätigt haben wollte.
    Plötzlich drang lautes Stimmengewirr von unten aus dem Treppenhaus und dröhnende Motorengeräusche eines LKWs aus dem Innenhof ins Zimmer. Nahezu zeitgleich rief Rosi lautstark nach Kommissar Weller. Diese förmliche Anrede klang

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