Novemberrot
behutsam zurück auf den Weg zu steuern .
» Sicher ist sicher, man kann ja nie wissen.« Beinahe hätte sich der Kommissar schon wieder nicht angeschnallt. So stoppte er kurz nachdem er wieder festes Terrain erreicht hatte, gurtete sich behäbig aber ordnungsgemäß an und setzte seine Fahrt fort. Vom geteerten Feldweg bog er nach wenigen hundert Metern links nach Mayberg ab. Vorbei an der Gemeindehalle kurvte Fritz wie selbstverständlich durch die gut beleuchteten Dorfstraßen des Ortes, hin zur Bundesstraße.
Wie von Geisterhand gesteuert zog es ihn unaufhaltsam zurück nach Burgstadt. Und je weiter sich Weller vom Kreismüller-Hof entfernte, desto intensiver stiegen die Eindrücke in seinem Bewusstsein empor, die er dort vorhin gewonnen hatte. Immer und immer wieder hatte er dabei Sandras eigenwilligen Gesichtsausdruck nach seinem angekündigten baldigen Wiedersehen vor Augen.
Doch unvermittelt, quasi wie aus dem Nichts, erfasste ihn unbändige Wut. Sein Verstand hatte endlich wieder die Oberhand über Rosis einnehmenden Zauber gewonnen. Wieder einmal stand er mit nahezu leeren Händen da. Ja klar, er hatte Rosi mit den aktuellen Ermittlungsergebnissen konfrontiert und den Capri des Toten hatten sie sichergestellt, aber sonst? Wer trieb hier bloß sein teuflisches Spiel mit ihm, welches ihn an den Rand des Wahnsinns führte? War es Rosi, war es die Umgebung, war es vielleicht die Vergangenheit, oder alle Faktoren zusammen? War Sandra nun seine Tochter, oder war sie es nicht? Was ist mit dem Alibi der beiden? »Und warum zum Geier, da doch so viele Fragen nach der passenden Antwort verlangten, bin ich nicht augenblicklich umgekehrt?«
Es war wie verhext. Er raufte sich die grauen Haare. Um seinem Frust die notwendige Luft zu verschaffen, stieß Fritz unter Tränen des Zorns einen gellenden Schrei aus. Sein verzweifeltes Grübeln und sein Hadern mit sich selbst vereinnahmten den Kommissar so sehr, dass dieser ohne seine Umgebung auch nur im Geringsten wahrzunehmen, mit starrem Tunnelblick, Kilometer für Kilometer dahinrauschte.
Doch sein vorübergehender Dämmerzustand sollte bald höchst unsanft beendet werden. Denn wie aus dem Nichts tauchte plötzlich im Nebel das leuchtende Rot einer Ampel, begleitet von hektisch flackernden Baustellenlampen in seiner Fahrbahnhälfte vor ihm auf. Bauarbeiter hatten hier auf Höhe des alten Eisenbahnviadukts vor gut einer Stunde eine Nachtbaustelle eingerichtet. Seinen Dienstwagen vor der Ampel anzuhalten, gelang dem sichtlich überraschten Weller nicht mehr.
Er rutschte mit quietschenden Reifen daran vorbei und brachte sprichwörtlich mit dem letzten Hemd seinen Passat erst unmittelbar vor der eigentlichen Absperrung zum Stehen. Wiederrum flog Tohns Stubbi mit einem dumpfen Schlag billardartig zuerst gegen die Klappe des Handschuhfachs, welche sich wieder öffnete, um schließlich als Abpraller auf der Gummimatte im Fußraum zu landen.
Wellers Herz sprang ihm vor Schreck fast aus dem Hals. Ein Hustenanfall überkam ihn. Obwohl es schweinekalt im Wagen war, lief ihm der Schweiß eimerweise den Rücken hinunter .
» Hey du Penner, bist du besoffen oder was!? Mensch mach deine Augen auf! Willst du uns über den Haufen fahren, du blöder Idiot?!«
Einer der anwesenden Bauarbeiter in seinem gelben Regenmantel und gleichfarbigem Helm stiefelte mit hoch erhobenen Armen erzürnt gestikulierend der Schnarchnase nach dessen haarsträubendem Manöver entgegen und blieb auf Höhe der Fahrertür stehen.
Da der PKW-Fahrer zunächst keine Reaktion zeigte, wiederholte der Mann lautstark seine Anschuldigungen unter Zuhilfenahme einiger unflätiger Schimpfwörter. Es dauerte eine Weile, bis Fritz überhaupt registriert hatte, was da neben seinem Wagen für ein Spektakel war. Er kurbelte langsam das Seitenfenster hinunter .
» Ich hab’s versaut. Ich kanns einfach nicht«, sagte er mit tränenerstickter Stimme und sah seinem Gegenüber ins Gesicht.
Wellers jämmerliches Erscheinungsbild und dessen merkwürdige Worte ließen den vor Sekunden noch tobenden Arbeiter erschaudern und er verstummte sogleich. Fritz kurbelte das Fenster wieder hoch, lenkte seinen Dienstwagen um die Baustelle herum und fuhr davon. Das Handschuhfach klappte er wieder zu, doch die Bierflasche ließ er für das letzte Wegstück im Fußraum liegen. Zurück im Nebel blieb ein sprach- und ratloser Arbeiter in seiner gelben Schutzkleidung. Weller schmolz fast vor lauter Selbstmitleid dahin.
Doch als die Lichter
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