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Novemberrot

Novemberrot

Titel: Novemberrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Theisen
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schon etwas komisch in seinem Gehörgang, da sich die beiden doch normalerweise duzten. Fritz stellte den Mondstein-Elefanten sachte zurück ins Regal. Sandra drückte ihm noch ein Päckchen Papiertaschentücher mit der Bemerkung »dauernd die Nase hochziehen ist echt nervend« in die Hand, ehe er ihr Zimmer verließ. Er nahm das Geschenk dankend an und steckte es in seine Jackentasche .
    » Wir sehen uns mit Sicherheit bald wieder.«
    Sandra nickte nur. Freude und Furcht schienen sich in Sekundenbruchteilen in ihren Gesichtszügen abzuwechseln, nachdem sie seine Ankündigung vernommen hatte. Weller sah ihre innere Zerrissenheit sich in ihren Augen widerspiegeln. Ihr rätselhafter Gesichtsausdruck brannte sich wie ein unverkennbares Mal in seinem Gedächtnis ein. Fritz lächelte. Dann wand er sich um, zog den Reißverschluss seiner Jacke aufgrund der im Treppenhaus vorherrschenden winterlichen Temperaturen wieder zu und polterte hastig die Stufen hinunter.
    Zwei Beamte in ihrer grünen Tracht standen in der sperrangelweit offenen Haustür neben Rosi und sonnten sich im warmen Licht der 60 Watt Flurbeleuchtung. Der Kleinere der beiden rief dem Kommissar entgegen: »Wir erhielten vor 30 Minuten einen Anruf, dass wir hier unbedingt heute noch einen goldfarbenen Ford Capri abholen sollen. Der Wagen müsse dringend im Rahmen der Ermittlungen im Mordfall Manfred Kreismüller untersucht werden!«
    Wellers Kollegin hatte trotz seines überflüssigen Ausrasters am Telefon dessen Wunsch in die Tat umgesetzt und die Bereitschaftspolizei aus St. Josef benachrichtigt, die sich ihrerseits anschließend sofort mit einem Abschleppwagen im Gepäck ins nur fünf Kilometer entfernte Mayberg aufgemacht hatten.
    Doch wer jetzt als Reaktion auf die angekündigte Maßnahme der Polizei auch nur die geringsten Anzeichen von Empörung bei Rosi erwartet hatte, sah sich doch sehr getäuscht. Beinahe gleichgültig nahm sie Wellers kurze Erklärung entgegen, was die Polizei mit dieser spätabendlichen Aktion zu erreichen erhoffte und dass der Wagen aus diesem Grund ins Labor nach Burgstadt gebracht werden müsste .
    » Du wirst schon wissen, was du tust. Der Wagen steht vorne in der Scheune, wo auch sonst«, antwortete die Stiefschwester des Toten lakonisch. Dabei deutete sie mit ihrem rechten Zeigefinger auf das von der Flurlampe schwach beleuchtete Gebäude auf der gegenüberliegenden Hofseite des Wohnhauses .
    » Haben Sie den Schlüssel?«, fragte der Größere der Uniformierten .
    » Ja, der liegt doch immer hier rum«, murmelte Rosi, drehte sich um und ging zu der kleinen hölzernen Kommode, die im Flur links neben der Küchentür platziert war. Sie zog die oberste Schublade auf, kramte geschwind einen Schlüsselbund heraus und warf ihn dem Polizisten in hohem Bogen zu. Da der Beamte nicht auf diese Art der Schlüsselübergabe vorbereitet war, wäre der Bund voll in seinem Gesicht gelandet. Doch dank Wellers Geistesgegenwart, der blitzschnell seine Rechte ausgestreckt und das Geschoss circa 20 Zentimeter vor dem Aufschlag abgefangen hatte, kam es glücklicherweise nicht dazu .
    » Reaktion ist alles!«
    Der Kommissar reichte seinem geretteten Kollegen lässig den Bund und verzog dabei keine Miene. Daraufhin verabschiedeten sich die Streifenpolizisten kopfschüttelnd von Weller und Rosi und stiefelten mit gezückten Taschenlampen zur besagten Scheune. Nachdem sie den schweren Eisenriegel zur Seite geschoben, sowie beide Flügel des massiven gut drei Meter breiten, dunklen Holztors knarrend nach vorne aufgeschwungen hatten, bugsierten sie Manfreds Capri mit Hilfe des Abschleppunternehmers auf die Ladefläche des im Hof stehenden LKWs und rauschten unter den Augen von Rosi Kreismüller und Fritz Weller nach wenigen Minuten gen Burgstadt davon.
    Beide standen noch immer in der geöffneten Eingangstür, bis die gleichmäßig leiser werdenden Motorgeräusche komplett verstummten. Außer dem leisen Gedudel des Radios aus der Küche und Fritzens verschnupftem Röcheln beim Atmen war kein Laut zu hören. Zudem kroch die abendliche Kühle zwar langsam aber dennoch unaufhaltsam in ihre Kleider.
    »Hast du mit Sandra gesprochen?«
    »Ja, das habe ich. Bin ich Sandras Vater?«
    Rosis bis dahin so gleichgültig wirkendes Auftreten änderte sich schlagartig. Wie damals an jenem Abend im November 1967 fasste sie seine Hände und küsste ihn liebevoll auf den Mund.
    Die Eiseskälte ihrer stahlblauen Augen schien sich vollständig verflüchtigt zu haben.

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