Novemberrot
meine Verfolger auch. Eigentlich sollte ich mich nicht umdrehen .
» Das ist ein Zeichen von Schwäche«, sagte mein Trainer. Trotzdem schaue ich. Ich kann jedoch nicht sehen wer mich da hetzt, denn dichter Nebel versperrt mir die Sicht. Aber ich spüre, dass mein Gegner inzwischen bedrohlich nahe ist .
» Nein, verdammt noch mal, ich lasse mir den Platz nicht mehr wegnehmen!«
Der glitschige Untergrund ist absolut kräfteraubend, denn ich rutsche ständig nach hinten weg. Schlamm spritzt nach allen Seiten. Ich spüre den Dreck in meinem Gesicht und im Nacken. Ich ächze gotterbärmlich, bekomme bestimmt die dritte oder vierte Luft. Schritte, Schritte dicht hinter mir … ich laufe wie im Tunnel. Das mitleidige Geräusch meines eigenen Japsens dröhnt laut in meinem Schädel und bringt ihn fast zum Bersten. Da, nur noch wenige Meter … im Ziel steht Freddie Mercury in seinem wallenden, weißen Zandra Rhodes Fummel und reckt mir die Bronzemedaille entgegen. Die Schritte des unsichtbaren Kontrahenten sind nun fast auf gleicher Höhe mit mir. Ich will nicht mehr zur Seite schauen. Ich beiße auf die Zähne .
» Komm schon, komm schon gib alles, alles was drin ist! Ich schaffe es, ich schaffe es!« Ich greife nach der Medaille .
» Jaaa … ich habe sie!« Doch kaum halte ich sie in meiner Hand, wird alles um mich herum blutrot und Flammen schlagen aus meiner Trophäe empor. Ich kann sie trotz der grenzenlosen Schmerzen nicht loslassen. Sie ist mit mir verschmolzen. Meine Haare haben Feuer gefangen, ich kann es nicht löschen … überall Flammen … ich schreie … niemand ist da, niemand hört mich … ich schreie!!
»Fritz, Fritz wach auf!« Erschrocken öffnete Weller mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Augen. Sein wirrer Blick wanderte hektisch und orientierungslos im Zimmer umher, bis er schließlich an Kommissarin Francks roter Mähne haften blieb. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag und die Hitze in seinem Körper verflüchtigte sich .
» Was für ein Horror! Aber ich lebe zum Glück noch!«, dachte sich Weller und schnaufte kräftig durch .
» Fritz, es ist alles gut, du hast bloß schlecht geträumt.« Die Stimme seiner Kollegin klang wirklich beruhigend in seinen Ohren .
» Ja, alles ist gut, bloß weiß ich so langsam nicht mehr, was Traum und was Realität ist«, wiederholte er gedankenversunken ihre Worte und sah sie fragend an. Steffi merkte natürlich, dass Weller noch immer leicht neben der Spur zu sein schien und vermied es deshalb, ihn mit Vorwürfen zu überhäufen. Vielmehr beschränkte sie nun ihre Ausführungen auf die Geschehnisse, welche sich in der letzten halben Stunde in den angrenzenden Büros zugetragen hatten: »Kommen wir zur Realität. Du kannst dir ja mit Sicherheit lebhaft vorstellen, was eben hier los war, als unsere Uschi aufkreuzte. Die Zimmertür weit offen stehend, ihr Büro hell erleuchtet und dann zu allem Überfluss findet sie auf ihrem Schreibtisch die durchwühlte Medikamentenkiste mitsamt leerer Bierflasche vor. Und du kennst ja unsere Sekretariatsmaus, wenn die mal loslegt, man was hat die gezetert. Aber sie hat noch keinen blassen Schimmer davon, wer es war, der letzte Nacht ihr Büro heimgesucht hat … jedenfalls noch nicht.« Steffi lächelte mitleidig, denn Uschi Schalupke war zwar die gute Seele der Abteilung, doch solches Chaos, wie es Fritz veranstaltet hatte, konnte die Sekretärin bekanntermaßen auf den Tod nicht ausstehen .
» Ich hab natürlich sofort geschnallt, wer dafür verantwortlich war und ging dich suchen. Weit konntest du ja eigentlich nicht sein. Und da lagst du auf der Pritsche im Krankenzimmer und warst dich am hin- und herwälzen. Ich musste echt aufpassen, sonst hättest du mir mit deiner wilden Armfuchtelei noch ein Veilchen verpasst, als ich versuchte dich aufzuwecken. Muss wohl ein ziemlich heftiger Alptraum gewesen sein. Worum gings denn?« Weller setzte sich auf die Kante der Liege und antworte leise, jedoch immer wieder von Pausen des Grübelns unterbrochen: »Es ging um mich … und da war noch Freddie Mercury als Wettkampfrichter … ich habe mich für Olympia qualifiziert … und dann bin ich …« Fritz schwieg. Sein Blick ruhte in Steffis freundlichem Gesicht .
» Na ja, was soils«, sagte sie nach einer Weile der Stille, »ist schließlich deine Sache.«
»Wie spät haben wirs denn eigentlich?« Der Kommissar erhob sich von der Liege, reckte sich und gähnte laut mit weit aufgerissenem Mund .
» Gleich zwanzig vor
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