Novemberrot
Für den Einen ja und für den Anderen nicht unbedingt«, sprudelte ihm postwendend die Antwort aus der Hörmuschel entgegen. Und nach diesem kleinen Vorspiel gab sich der Anrufer als Oberwachtmeister Strauß von der Bereitschaftspolizei aus St. Josef zu erkennen .
» Wir erhielten von einer Kommissarin Franck die freundliche Aufforderung, uns einen gewissen Cornelius Hahn nochmal vorzuknöpfen. Denn er stünde im dringenden Verdacht, den Hund der Kreismüllers vergiftet zu haben.«
»Und was krähte unser gefiederter Freund, Kollege Strauß?« Rasch hatte Weller seinen kurz aufgeflammten Unmut wegen der Unterbrechung wieder abgelegt und gierte nun förmlich nach den Informationen des Polizisten .
» Er trällerte uns ein lieblich Lied, wenn ich das mal so sagen darf«, schallte es lachend zurück. Und der Beamte berichtete weiter: »Es war recht einfach und lief ziemlich unspektakulär ab. Wir trafen den schrägen Vogel zuhause an. Im schlabberigen Federkleid öffnete er die Haustür. Seine Taube war arbeiten und die Küken in der Schule, erzählte er uns. Außerdem hätten wir Glück, dass wir ihn heute hier antreffen würden. Denn sein Arzt hatte ihn gestern für den Rest der Woche krankgeschrieben, weil er eine hartnäckige Erkältung ausbrütete.«
»Krankgeschrieben? Was für ein Weichei!«, zischte Weller verächtlich und der Oberwachtmeister bestätigte seine geringschätzige Meinung: »Hab ich auch bei mir gedacht. Und zum Beweis seines erbärmlichen Gesundheitszustandes hustete uns der Spezialist auch gleich ’ne ordentliche Ladung Bazillen entgegen. Na jedenfalls glaubte der Hahn, dass wir ihn noch mal zu Manfred Kreismüllers Autoattacke auf die Läufergruppe befragen wollten und er wiegelte sofort ab, dass er alles bereits unserer netten rothaarigen Kollegin zu Protokoll gegeben habe. Doch als wir ihm den Grund unseres Besuchs offenbarten, hörte sein majestätisches Gekrähe mit einem Schlag auf. Von Sekunde zu Sekunde wurde er nun augenscheinlich immer flatterhafter, was nur wenig später in seinem kleinlauten Geständnis gipfelte, dass er den Giftköder neulich abends in der Nähe des Kreismüllerhofs ausgelegt hatte. Denn der grässliche Köter sei doch mindestens genauso bekloppt wie sein Besitzer gewesen, fügte er noch entschuldigend hinzu. Aber wie es leider so ist, wird der Galgenvogel außer einem ordentlichen Bußgeld wohl kein Ei ins Nest gelegt bekommen.«
»Ja, schade eigentlich. So, genug gevögelt! Habt ihr denn schon mit Rosi Kreismüller, der Stiefschwester des Toten darüber gesprochen?«, beendete Kommissar Weller die ornithologischen Ausführungen des Uniformierten .
» Nicht so hastig, da komme ich jetzt zu. Natürlich fuhren wir anschließend zum Hof der Kreismüllers. Aber wir trafen keine Menschenseele an. Nur ein paar Schweine quiekten im Stall, aber die schienen sich für unsere Neuigkeiten nicht wirklich zu interessieren.« Oberwachtmeister Strauß hatte jetzt eigentlich wieder einen ironischen Kommentar seines Gesprächspartners erwartet. Doch Fritz suchte bereits gedanklich eine logische Erklärung, die Abwesenheit der beiden Frauen betreffend und murmelte leise vor sich hin: »Na ja, Sandra ist an der Uni und, und … Rosi ist bestimmt nur einkaufen oder putzt Schimmelpfennigs Büro.« Die Befürchtung, dass die beiden Frauen kalte Füße bekommen und sich bei Nacht und Nebel aus dem Staub gemacht hatten, verdrängte er so gut es ging aus seiner Vorstellung. Vielmehr freute es ihn, dass sich Rosis gestrige, desillusioniert anmutende Behauptung, alles würde unter den Teppich gekehrt, nicht bewahrheitet hatte .
» Ich kümmere mich selbst darum. Für Sie ist die Sache damit erledigt.« Weller bedankte sich bei seinem uniformierten Kollegen und schob noch hinterher, dass er heute mit Sicherheit die Familie des Toten aufsuchen und er es ihnen dann in Einem mitteilen werde. Er legte den Hörer gedankenversunken wieder auf die Gabel .
» Immerhin ein Schrittchen weiter«, dachte er mit einer kleinen Portion Genugtuung bei sich.
Bereits während des Telefonates hatte er sich Kommissarin Francks zurückgelassene Tageszeitung geangelt.
Nachdem er das Mädchen von Seite 1 einer genauen Betrachtung unterzogen und ihr erhebendes Erscheinungsbild mit einem Pfiff der Begeisterung quittiert hatte, überflog er die folgenden mehr oder weniger gehaltvollen Artikel nur grob … bis er schließlich an Seite 6 angelangt war. Denn hier hatte die Redaktion des Provinzblättchens doch
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