Novizin der Liebe
kennt Ihr kein anderes Lied?“
Seinem Hauptmann schoss das Blut ins Gesicht. „Bitte um Verzeihung, Herr.“
„Hört zu, Tihell, hört gut zu. Statt mit anzusehen, wie Lady Cecily in eine modrige Zelle gesteckt wird, ohne dass wir einen stichhaltigen Beweis für ihre Illoyalität hätten, ziehe ich es vor, sie mit nach Fulford zu nehmen. Dort kann ich sie besser im Auge behalten. Falls sie Verbindungen zur sächsischen Widerstandsbewegung pflegt, wird sie uns als Lockvogel dienen.“
„Ihr wollt sie benutzen?“
„In der Tat. Lady Cecily wird die Aufständischen aus ihren Schlupfwinkeln locken. Wenn ich sie dem Garnisonskommandanten ausliefern würde, brächte dies Herzog Wilhelms Sache nicht einen Deut voran. Beobachtet sie, dann gelingt es uns vielleicht, ein ganzes Schlangennest auszuheben …“
„Aber, Herr, es gibt noch eine andere Möglichkeit …“
„Etwas sagt mir, dass Ihr mir gleich mitteilen werdet, welche das wohl sein könnte.“
Tihell nickte voller Ernst. „Es könnte einen völlig harmlosen Grund für Lady Cecilys Besuch in der Golde Street geben.“
Adam starrte ihn an. „Offenbar sind Herfu und Maurice nicht ihre einzigen Eroberungen. Auch Ihr versucht Euch als ihr Fürsprecher.“
Tihell trat mit der Stiefelspitze einen Hühnerknochen in den Rinnstein. Er mied Adams Blick. „Fällt nicht zu schnell Euer Urteil über sie, Herr, das ist alles“, murmelte er. „Die Zeit wird zeigen, ob sie tatsächlich treulos ist.“
„Wir sind alle Narren“, sagte Adam versonnen.
„Herr?“
„Lasst gut sein, Mann! Ich habe mir bereits meine Gedanken gemacht und über Lady Cecilys Schicksal entschieden.“
„Jawohl, Herr.“
Adam lächelte. „Vielleicht wird Euch ein neuer Auftrag von Eurer Philosophiererei abhalten.“
„Herr?“
„Wenn der Trupp nach Fulford aufbricht, bleibt Ihr hier zurück. Wartet, bis die Nachricht Eures Kundschafters eingetroffen ist, und heftet Euch dann selbst auf Lady Emmas Spur.“
„Jawohl, Herr.“
„Und seid auf der Hut, Tihell. Ich will Euch nicht verlieren.“
„Herr.“
„Dann, ganz gleich, was Ihr entdeckt, treffen wir uns in drei Tagen in der Garnison. Zur Mittagsstunde. Da könnt Ihr mir dann Bericht erstatten.“
„Jawohl, Herr.“
10. Kapitel
Er holte die kleine Novizin ein, noch ehe er sich überlegt hatte, was er ihr sagen würde. Etwas Blaues blitzte vor ihm auf – sein Mantel – und huschte rasch den Weg über den Friedhof entlang. Wenigstens läuft sie nicht fort wie ihre Schwester, dachte Adam, und dabei fiel ein Teil der Spannung von ihm ab, die ihn die ganze Zeit begleitet hatte. Er wollte sie nicht verlieren.
Verflucht, das war es nicht! Es war die Möglichkeit, sich ihrer als Lockvogel zu bedienen, die er nicht verlieren wollte. Er würde vorgeben, ihr freie Hand zu lassen, und auf diese Weise würde sie ihm unwissentlich dabei helfen, den Widerstand gegen Herzog Wilhelms Herrschaft zu brechen. Ja, das war es: Er hatte vor, sie zu benutzen.
Adam schüttelte den Kopf ob der Verwirrung, die ihr unschuldig wirkendes Antlitz bei ihm auslöste, bei ihm, der für gewöhnlich so klar denken konnte. Die Augen fest auf ihren schmalen Rücken gerichtet, näherte er sich der zierlichen Gestalt mit großen Schritten. Wenn er doch nur Gedanken lesen könnte! Zweifellos hoffte sie, dass ihr Besuch in der Golde Street unbemerkt geblieben war. Adam biss die Zähne zusammen, ignorierte den bitteren Geschmack in seinem Mund und verabschiedete seinen Hauptmann mit einem gemurmelten: „Seht nach den Pferden, Tihell, und sagt den Männern, wir brechen in einer halben Stunde nach Fulford auf.“
„Jawohl, Herr.“
Er marschierte zu der kleinen Novizin hinüber und fasste sie an der Schulter. „Lady Cecily?“
„Sir Adam!“ Sie erschrak beinahe zu Tode. „I…ich habe mich gerade gefragt, wo Ihr wohl sein mögt.“
Das glaube ich gern, dachte Adam bitter, wobei ihm weder ihr angespanntes Lächeln entging noch die Schamesröte, die ihr in die Wangen gestiegen war. Welche Lügen würde sie ihm wohl auftischen? „Wo seid Ihr gewesen?“
„I…ich dachte, ich sehe mir einmal die Stadt an. Es ist so lange her, dass ich zuletzt hier war.“
Er nahm ihre Hand, legte sie behutsam auf seinen Arm und führte Cecily dann zügigen Schrittes auf die Garnison zu. „Wo ist Maurice? Er hätte Euch begleiten sollen.“
Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihr Ausdruck ernst. „Ich dachte nicht, dass ich weit fortgehen würde“, erklärte
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