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Novizin der Liebe

Novizin der Liebe

Titel: Novizin der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CAROL TOWNEND
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Pfarracker neben der Kirche gerichtet, auf den Friedhof. Und dort, jenseits des Holzzauns, fand sie, was sie gesucht hatte – einen Kranz aus Feuerdorn, den jemand auf frisch umgegrabene Erde gelegt hatte. Das Grab ihrer Mutter?
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Rasch wandte sie den Kopf ab und zwang sich, den Blick vom Friedhof fort auf das Haus des Priesters und auf Fulford Hall zu richten, die einander gegenüber auf der anderen Seite des Dorfangers standen.
    Die von Schafen abgegraste und von den Hufen zahlloser Pferde zertrampelte Dorfwiese verschwamm vor ihren Augen und schien zu wogen wie ein grünes Gerstenfeld im Märzwind. Cecily schluckte den Kloß hinunter, den sie im Hals spürte, und versuchte, normal zu sprechen. „Wie Ihr Euch denken könnt, gehört das Haus neben dem Pfarracker dem Dorfgeistlichen. Er lebt vom Zehnten, den alle ihm entrichten. Vater Aelfric …“
    Adam stieß ein prustendes Lachen aus. „Ich habe Vater Aelfric bereits kennengelernt. Und seine Frau.“
    Achtlos der Tränen, die über ihre Wangen liefen, wandte Cecily jäh den Kopf zu ihm um. „Ich … ich wusste nicht, dass Vater Aelfric sich eine Frau genommen hat.“
    Als der Blick seiner grünen Augen sich mit dem ihren traf, wurde Adams Gesichtsausdruck mit einem Mal ernst. „Ah, Cecily, was bin ich doch für ein Narr!“ Er streckte die Hand aus und ließ den Finger behutsam über die Tränenspur auf ihrer Wange gleiten. „Eure Mutter … verzeiht mir.“
    Cecily schüttelte heftig den Kopf und schob seine Hand beiseite.
    „Nein, bitte! Nicht hier. Nicht jetzt.“ Sie würde zusammenbrechen, wenn er ihr sein Mitgefühl bekundete, und sie wollte sich nicht derart beschämen lassen – nicht vor seinen Männern und dem ganzen Dorf. Sie war die Tochter ihrer Mutter.
    Adam griff wieder nach den Zügeln. Vielleicht verstand er Cecilys Bedürfnis nach Ablenkung, denn er fuhr im Plauderton fort: „Vater Aelfric hat zwei kleine Kinder.“
    Entschlossen wischte Cecily sich mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen. „Oh?“
    „Ist es in England üblich, dass Priester Ehefrauen haben?“, fragte Adam, und sie erkannte, dass er ihr tatsächlich Zeit geben wollte, sich zu fangen, bevor sie das Herrenhaus erreichten. Ein ganz so grober Klotz war er also nicht.
    „Bisweilen tun sie das.“
    „Herzog Wilhelm billigt derartige Praktiken nicht.“
    Cecily zuckte die Achseln. Mönche, Nonnen und Priester legten alle das Keuschheitsgelübde ab, doch Priester, und selbst Bischöfe, nahmen bisweilen ihre Haushälterin zur „Ehefrau“. Wen mochte Aelfric wohl „geheiratet“ haben? Er hatte stets Zuneigung zu Sigrida empfunden, und sie zu ihm …
    Fulford Hall. Endlich war sie zu Hause!
    Das Herrenhaus war ein langes Gebäude, höher und breiter als jedes andere im Umkreis vieler Meilen. Zu beiden Seiten der Tür gewährten mit hölzernen Läden versehene Fenster einen Blick auf den Dorfanger und die Kirche. Das Dachstroh war verwittert, grau an einigen Stellen, moosbewachsen an anderen – kurz, es sah kaum besser aus als das auf den Hütten der meisten Leibeigenen. Dunkler Holzkohlenrauch stieg durch die Öffnung im Dach gen Himmel. Unter normalen Umständen hätte der Anblick Cecilys Herz höher schlagen lassen, heute jedoch …
    Vor der Tür angekommen, brachten sie ihre Pferde zum Stehen. Maurice und Geoffrey führten die Tiere flachsend und scherzend zu den Ställen. Drinnen am Feuer warf Sir Richard seinen Mantel einem der Männer zu, während er sich lachend mit einem anderen unterhielt. Nur in Umrissen zu erkennende Gestalten gingen im Hause ihres Vaters umher. Normannen. Bretonen. Eroberer .
    Sie hörte das dumpfe Gemurmel von Gesprächen, das Wiehern eines Pferdes, das Geschnatter von Gänsen. Wo war Philip? Wo war ihr Bruder? Von einem Gefühl der Unwirklichkeit ergriffen, versenkte Cecily sich in den Anblick der Holzschnitzereien am Türrahmen des Herrenhauses: die Schlange, die sich zu beiden Seiten emporwand, die Weinranken, die Blumen und die verschlungenen Muster, die sie als Kind so oft mit dem Finger nachgezogen hatte, und sie fühlte … nichts. Das Haus ihres Vaters war einem Fremden aus der Bretagne in die Hände gefallen, und sie empfand nichts als Leere, nichts als Gefühllosigkeit.
    Der Fremde ließ den Blick besitzergreifend durch ihr Dorf schweifen. In der Mitte des Dorfangers, unter den Ästen einer alten Eiche, die schon dort gestanden hatte, als ihr Vater geboren wurde, standen der Dorfpranger und der

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