Novizin der Liebe
Schandpfahl. Der Fremde, der Eindringling, zeigte mit gerunzelter Stirn auf den Pranger in Form eines hölzernen Jochs. „Das haben wir auch bei uns in Quimperlé. Wie nennt man das auf Englisch?“
„Pranger.“
„Und das andere? Ist das der Auspeitschpfahl?“
„Das ist ein Schandpfahl. Mein Vater hat ihn bisweilen als Auspeitschpfahl genutzt.“
Leise murmelnd wiederholte Adam die Worte und stieg aus dem Sattel. Cecily betrachtete seine gepanzerte Gestalt und fragte sich, ob er wohl ein ebenso strenger Richter sein würde, wie ihr Vater es gewesen war. Thane Edgar hatte einem Hörigen einmal wegen Diebstahls die Hand abhacken lassen. Bisweilen hatte er auch vom Brandeisen Gebrauch gemacht, für gewöhnlich jedoch war die abschreckende Wirkung von Pranger und Schandpfahl groß genug gewesen.
Aber Philip … wo war das Kind? Cecilys Blick schweifte über die Kate des Vogts, über den Schafspferch, den Schweinestall, das Küchengebäude. Jemand humpelte auf Krücken auf sie zu. Es war ein hochgewachsener Mann, an dessen Handgelenken silberne Armreifen klimperten. „Edmund!“
Im gleichen Alter wie Judhael, war auch Edmund ein Gefährte ihres Bruders Cenwulf gewesen, und ein Leibwächter ihres Vaters. Die Armreifen waren offenbar ein Geschenk ihres Vaters für einen besonders geschätzten Krieger und treuen Gefolgsmann. Edmund wirkte dünn und ausgemergelt. Sein hellbraunes Haar fiel ihm strähnig auf die Schultern und seine grauen Augen lagen tief in den Höhlen.
„Cecily?“
Cecily saß ab und warf sich mit solcher Heftigkeit auf den Freund ihres Bruders, dass dieser beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. „O Edmund, ich bin so froh, dich zu sehen! Ich fürchtete, auch du könntest von uns gegangen sein.“
Edmund ließ einen grunzenden Laut hören, rückte seine Krücken zurecht und warf einen eisigen Blick in Adams Richtung. „Gebt Obacht, Cecily“, sagte er auf Englisch. „Ihr werdet mich umwerfen.“
„Sprich Französisch, wenn ich bitten darf!“, verlangte der neue Herr von Fulford mit finsterem Blick.
„Das kann er nicht, tut mir leid. O Edmund, es tut so gut, dich zu sehen!“ Sie trat lächelnd einen Schritt zurück und beachtete ihren Verlobten nicht weiter. Die Zügel seines Pferdes in der Hand, stand Adam ein wenig abseits, dennoch fing sie seinen wachsamen Blick auf.
Statt wie üblich mit Wadenbändern umwickelt zu sein, war Edwards linkes Hosenbein aufgeschlitzt. Sein Bein war geschient. Er sah aus, als habe er seit Wochen kein Auge zugetan, doch er war am Leben. „Was ist mit deinem Bein geschehen?“
Auf seine Krücken gestützt, hob Edmund die Schultern. „Bin vom Pferd gefallen. Schlimmer Bruch, meinte Eure Mutter. Sonst hätte ich Euren Vater nach Hastings begleitet. Alle Leibwächter sind mitgegangen, nur ich nicht.“ Er ließ ein bitteres Lachen hören. „Sogar Alfred war dabei.“
„Wirklich?“
„Ja.“ Er machte eine Pause. „Keiner von ihnen ist zurückgekehrt.“
Cecily nickte wortlos, ihre Kehle war wie zugeschnürt.
„Gudrun hat mir das Bein geschient.“
„Gudrun?“
„Unter Aufsicht Eurer Mutter.“ Edmund sah ihr geradewegs in die Augen. „Cecily, es tut mir so leid um Lady Philippa. Uns allen. Am Tag, als sie starb …“
Aus Furcht, er könne irgendetwas über ihren Bruder sagen, das Adam womöglich verstand, beugte sie sich vor und drückte Edmund hastig einen Kuss auf die Lippen. Sie legte ihre Hand auf die seine und drückte sie vielsagend, ohne sich um Adams bohrenden Blick zu scheren, den sie in ihrem Rücken spürte.
„Wir reden später weiter. Es gibt so viel zu berichten. Doch ich bin mehr als glücklich, dich unversehrt, jedenfalls beinahe, wiederzusehen.“ Sie schaute zum Herrenhaus hinüber. „Gudrun?“
Edmunds graue Augen trafen die ihren. „Drinnen. Mit Eurem … mit dem Säugling. Ihr wisst davon?“
„Emma hat mir die Neuigkeit überbracht.“
Auf die Krücken gestützt, verlagerte Edmund sein Gewicht auf das geschiente Bein. Er zuckte vor Schmerz zusammen und änderte hastig seine Haltung. „Herr im Himmel, es heilt nicht so, wie es sollte!“
„Ich werde es mir vor dem Nachtmahl einmal ansehen“, versprach Cecily. „Ehe es dunkel wird.“
„Habt Dank. Wie ich sehe, versteht Ihr Euch ebenso gut auf die Heilkunst wie Eure Mutter es tat.“
Cecily warf Adam einen unsicheren Blick zu – sein Gesichtsausdruck war ziemlich finster – und rauschte an ihm vorbei ins Haus.
Drinnen hatte sie keinen Gedanken
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