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Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Titel: Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damian Raye
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abgebrochen worden, überlegte sie, ob sie mit ihrer Mutter telefonieren sollte.
     
    „Hol mich ab, sonst passiert etwas Furchtbares“, würde sie sagen, aber sie wusste, dass sie damit ihren nächsten Traum voller boshafter Verwünschungen nicht verhindern konnte. Frühestens am Vormittag des nächsten Tages würde ihre Mutter bei ihr sein können, falls sie überhaupt käme. Auf jeden Fall läge eine ganze furchtbare Nacht dazwischen, eine Nacht, in der sich Nox dafür rächen würde, was Anne angetan worden war.
     
    Der Traum begann noch ohne zielgerichtete Bösartigkeiten. Sechs neue Drachen aus den Tälern der Glühenden Berge waren in Nethernox angekommen, prachtvoll gepanzerte finstere Ungeheuer mit messerscharfen Krallen und weit ausladenden Flügeln, noch ungezähmt und wild. Eines der gefährlichen Geschöpfe sollte das Reittier der Magierin werden.
     
    Nox stand vor den angeketteten Untieren und betrachtete sie aufmerksam, wählte dann genau das, das sich am wildesten gebärdete, an seinen Fesseln zerrte, sich gegen die Unfreiheit auflehnte. Ein Strahl Terox Ennas betäubte das gewaltige Tier. Sie stieg auf seinen Rücken, lief den Hals hinauf und hockte sich hinter seinen Kopf, umschloss die gewaltigen Nackenwirbel mit ihren Schenkeln und wartete auf das Wiedererwachen des Drachens. Schon Sekunden später strafften sich seine Gliedmaßen wieder, ein Gardist löste die Ketten. Die Flügel rissen den Drachen förmlich vom Erdboden hoch, er schoss in den Himmel, überschlug sich in der Luft, um seine Reiterin abzuwerfen, der ihr Stab entglitten war. Terox Enna taumelte hinab, schlug auf das Pflaster des Burghofes, der Stein an seiner Spitze zersprang in tausend rote Funken.
     
    Der Drache hatte auf seinem Weg nach oben nicht inne gehalten, vollführte jetzt himmelhoch über Nethernox einen wilden Tanz, sein Hals wirbelte durch die Luft wie eine Peitsche, Nox verlor den Halt, stürzte. Ihr Umhang blähte sich im Fallwind, aber dennoch stürzte sie viel zu schnell nach unten. Nur ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf: Welche Zauberformel würde ihr helfen? Ja, sie hatte eine Lösung, der Wechselzauber …
     
    EX TERNANO!
     
    Im nächsten Augenblick stand sie wieder auf den Pflastersteinen des Burghofes und abermals nur Sekunden später zerschellte der Körper eines blonden Mädchens, von der Zauberformeln willkürlich irgendwo in Nethernox ausgewählt und aus seinem bisherigen Leben gerissen, neben ihr auf dem Stein. Nox lächelte, die Herrscherin hatte gesiegt.
     
30. März 2010
    Nein, die Zustände waren nicht so, dass Anne sich wohlfühlte. Zum einen waren da ihre Mitschüler, die ihr den unterbrochenen Ausflug ankreideten, obwohl sie kurz vor dessen Beginn noch über den bevorstehenden langen Weg geklagt hatten. Zum anderen wartete Anne auf Millies „Bestrafung“ – und sie wollte nicht unbedingt in der Nähe sein, wenn dies geschah. Verständlich, denn sie malte sich aus, wie aus ihren Traumbildern Wirklichkeit werden konnte: gebrochene Knochen, zerquetschte Gliedmaßen, ein schlimmes Unglück eben.
     
    Und es beunruhigte sie noch eine dritte Sache: die Brücke. Anne war mehr als unzufrieden mit sich selbst. Sie wusste zwar, dass Menschen mit viel Fantasie unter Höhenangst leiden, wollte sich dies aber nicht erlauben. Deshalb machte sie sich gleich nach dem Frühstück allein auf den Weg. Es galt, ein Ungeheuer zu bezwingen.
     
    Es hatte leicht zu nieseln angefangen, als sie die Brücke erreichte. Im Regen wirkten die Holzbalken mehr als glitschig, Nebelschwaden zogen über die Klamm. Anne setzte sich auf einen Stein am Brückenkopf und versuchte, ihre Kräfte zu sammeln. In ihrer Vorstellung beschritt sie die Brücke mehrere Male in unterschiedlicher Weise. Sie rannte wie von Furien gehetzt, kroch auf allen Vieren, stelzte breitbeinig hinüber, tippelte mit kleinen Schritten, ging betont langsam und lässig. Wie sie es auch tun würde – sie dürfte nicht nach unten schauen, nicht nach rechts und nicht nach links.
     
    Als sie tatsächlich über die Brücke schritt, die tosenden Wasser unter sich, über sich nur einen grauen Himmel und die Augen stur geradeaus gerichtet, gelang dies fast mühelos. Ich bin auf der anderen Seite, sagte sie sich, lief voller Energie weiter, ließ die Brücke und alles andere hinter sich, bog in einen Feldweg ab, wählte dann an einem neuen Abzweig einen der kleineren Wege, folgte schließlich einem schmalen Pfad einen Hügel hinauf. Es kam ihr vor, als sei

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