Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter
Verwünschungen und Flüche ausstoßen, wie sie es sich vorgenommen hatte. Nein, alles war gut und richtig.
In dieser Nacht überraschte sie Nox bei einer geheimen Tätigkeit. Sie überwachte die Fortschritte ihrer Schandtaten und pflegte zu diesem Zweck eines ihrer Fenster mit besonderen magischen Eigenschaften zu versehen, die es erlaubten, bis in den hintersten Winkel ihres Reiches zu schauen. Anne konnte nach und nach verfolgen, wie einfache Fischer von einer Flut weggerissen, ungehorsame Diener ausgepeitscht wurden und wie die Vier Ältesten der Elemente in einer Welt voller Glut, Rauch und Feuer von einer furchtbaren Bestie verfolgt und bedrängt wurden, die sie nur mit ihrer gemeinsamen magischen Kraft im Zaum zu halten vermochten.
„Ich werde euch so beschäftigen, dass ihr keine Zeit mehr für kluge Sprüche und Aufsässigkeiten habt. Wartet, bis der Moloch seine Krallen in eure schwächlichen Körper schlägt, hofft dann, dass er euch schnell in das Reich des Vergessens transportiert, aus dem ihr niemals wiederkehren werdet!“
Glacies fugit! flüsterte die schlafende Anne in ihrem Traum, und sie spürte im selben Augenblick, dass sie damit Schlimmeres verhinderte.
28. Mai 2010
Was würde die Schreckensmeldung sein? Eigentlich hätte Anne noch nicht zur Schule gemusst, hätte ihre Krankmeldung noch über zwei oder drei Tage ausdehnen können, doch die Neugier und eine unbestimmte Angst drängten sie, am Morgen dieses Tages wieder zur Schule zu gehen. Waren mit den Ältesten der Elemente in ihrem Traum die Lehrer ihrer Schule gemeint? Welcher Moloch konnte in der Realität existieren? Woher sollten Glut, Rauch und Feuer kommen? Je näher sie der Schule kam, desto ungewöhnlicher kam ihr die Situation vor. Schon in der Dellsberry-Street, einer kleinen Gasse, die an ihrem Ende zur Schule abzweigte, hörte sie Stimmengemurmel und immer wieder laute Rufe. Viele Schüler, aber auch einige Erwachsene, darunter die Lehrer und zufällige Passanten, hatten sich rund um einen Schulbus versammelt, der neben zwei anderen Fahrzeugen am Straßenrand parkte. Sie betrachteten die linke, Annes Blicken abgewandte Seite des Fahrzeugs, redeten und gestikulierten, schüttelten ratlos die Köpfe.
Der Bus war von vorne bis hinten aufgeschlitzt, zeigte eine klaffende Blechwunde.
„Es war ein Unfall!“ Als Schuldirektor Goldberry mit leiser Stimme begann, das Ereignis zu schildern, dass zu diesem beeindruckenden Schaden geführt hatte, hörte eine Menschenmenge atemlos zu.
„Wir kamen aus Rochester zurück, ihr wisst ja, dieser Lehrerausflug wie jedes Jahr, es dämmerte schon, und wir alle haben halb geschlafen. Auf der Höhe von Blue Bell Hill spürten wir einen harten Schlag und hörten dieses Geräusch, als schriee ein Tier … Nein, ich kann nicht sagen, was es war. Vielleicht die überlange Ladung von einem Lkw, und der Fahrer hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Oder irgendeine überbreite Landmaschine, so eine Art Mähdrescher …“
Oder ein Moloch, dachte Anne, der auf Anweisung einer finsteren Magierin handelte. Immerhin, sie hatte einen Weg gefunden, Nox in ihrem Traum zu zügeln – glacies fugit – die Fesseln waren gesprengt. Sie konnte, wenn sie wollte, abgestufte Rache nehmen, wählen zwischen üblen Scherzen und schweren Verbrechen.
„Was immer es war, seine Klauen müssen in den Innenraum des Busses eingedrungen sein. Ein Wunder, dass niemand zu Schaden gekommen ist!“ sagte Mrs. Dinkle. „Das grenzt an Zauberei!“
Juni 2010
Können Menschen so etwas vergessen? fragte sich Anne. Aus irgendeinem Grund verloren Annes Lehrer die Rolle, in die sie nach den Ereignissen während der Kursfahrt gerutscht war, aus den Augen. Aus der bösen, unbeherrschten und unberechenbaren Anne Oxter wurde langsam wieder die gut erzogene, unauffällige, aber in ihren Leistungen unbedenkliche Schülerin. Von Tag zu Tag wurde ihre Position besser. Abwehr- oder sogar Rachemaßnahmen erübrigte sich auch, da alle Mitmenschen freundlich und zuvorkommend mit Anne umgingen, sogar ihre Mutter. Anne verwandelte sich nicht in jeder Nacht in Nox, und die Magierin mischte sich glücklicherweise nicht ohne Annes Zutun mit überraschenden Schandtaten ein. Allerdings spürte Anne, dass es einen Teil in ihrer Person gab, in dem sich etwas anstaute. Hin und wieder konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, ihren manipulativen Gedankenspielen unter Einsatz dunkler Magie zumindest in ihrer
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