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Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter

Titel: Nox Eterna - Die ewige Nacht der Anne Oxter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damian Raye
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Tage war es geschehen: Spät am Morgen wachte sie neben Alan auf, neben dem simplen, lieben, immer freundlichen Alan, der schon lange wach gewesen war und ihr lächelnd ins Gesicht blickte, und an diesem Tag sah sie ihn mit völlig anderen Augen.
     
    Zum ersten Mal verspürte sie ein neues, warmes Gefühl und eine Aufregung, die seine Person sonst nicht bei ihr ausgelöst hatte. Alan bemerkte diese Veränderung an ihr und suchte auf eine selbstverständliche Art mehr als je zuvor ihre Nähe. Anne wusste, dass sie an jedem einzelnen der folgenden Tage in seinen Armen aufwachen würde. Ihr gefiel das, mehr als sie es hätte zugeben können.
     
    Silly bemerkte die Änderung in ihrer bisherigen Dreierbeziehung, sie waren drei Freunde gewesen, und jetzt …? Silly wusste zunächst nicht, wohin mit sich, und begriff dann, was geschehen war. Sie verschwand in den folgenden Tagen ziemlich häufig, um Spaziergänge zu machen, die manchmal merkwürdig lange dauerten.
     
    Die für sie eigenartige und unsymmetrische Situation fand ein Ende, als sie auf einem dieser Ausflüge Peter Drachkin traf, einen neuen Schüler ihrer Parallelklasse, der gerade nach Maidstone gezogen war. Er gefiel ihr in diesem Sommer in seinem zerrissenen T-Shirt und den Bermudas besonders. Peter konnte – mit Silly - genauso verrückt wie Silly selbst sein, zählte aber sonst eher zu den nachdenklichen Menschen. Jemand wie Peter hatte Silly in diesen wilden Sommertagen gefehlt. Sie war so glücklich über die neue Verbindung, dass sie sich Annes Filzstifte schnappte und unter Aufbietung aller ihrer typografischen Künste ein Türschild malte, das den Zustand der Behausung der Familie Oxter zu diesem Zeitpunkt ziemlich genau beschrieb:
     
    HOUSE OF LOVE
     
    Dann trug sie einen Stuhl nach draußen, kletterte hinauf und befestigte das Schild über der Haustür. Anne und Alan fanden es großartig und bestanden darauf, dass sie sich alle vier darunter fotografieren mussten. Annes Digitalkamera wurde auf der Mülltonne platziert, der Selbstauslöser funktionierte einwandfrei.
     
    „Euch ist klar, dass dieses Foto als gerichtsverwertbarer Beweis bei unseren Eltern verwendet werden könnte?“ alberte Silly herum. Auch bei den Nachbarn erregte die neue Dekoration des Hauses einige Aufmerksamkeit, und der Postbote witzelte, dieses Schild werde hoffentlich nicht als Firmenschild eines Rotlicht-Etablissements verstanden. Das alles störte die beiden Paare in seinem Inneren nicht, sie sahen alles rosarot.
     
16. August 2010
    Mitte August gab es ein paar regnerische Tage. Silly und Peter versuchten sie mit Lesen zu überbrücken, wenn sie nicht kichernd in den Betten des Gästezimmers herumtobten. Der Schlechtwettereinbruch sollte zwar nur kurz sein und das unvergleichliche Sommerwetter wiederkehren und noch für Wochen anhalten. Aber Annes wahnsinniger Sommer 2010 würde bald ein Ende finden. Es waren nur noch wenige Tage, bis Annes Eltern zurückkommen würden, aber das sollte nicht die Ursache dafür sein.
     
    „Scrabble?“ Alan zog den grünen Kasten zwischen Annes Büchern hervor.
     
    „Lieber Buchstaben-Orakel!“ entgegnete Anne, obwohl sich etwas in ihrem Inneren sträubte. „Sie werden uns sagen, was uns erwartet!“
     
    Sorgfältig und mit Umsicht, aber erstaunlich schnell zog sie die Buchstaben aus einem kleinen Häufchen von Spielsteinen hervor, die den Namen ihres Heimatortes bildeten
     

     
    Sie begann, diese zu verschieben, ihre Plätze auszutauschen, auf der Suche nach einem Sinn. Sie hielt inne, als zu lesen war
     

     
    „Das gilt nicht, es sind zwei Buchstaben übrig!“ beschwerte sich Alan.
     
    „Und? Kannst du es besser?“ stichelte Anne. Alans Stirn kräuselte sich, seine Hände huschten über den Tisch.
     

     
    las Anne. „Du armes trauriges Wesen! Aber das gilt auch nicht, es sind zwei …“
     
    „… zwei Buchstaben zu viel, ich weiß!“
     
    Sie vermochten nicht, den Buchstaben weitere Aussagen zu entlocken – und, was schlimmer war, es überfiel sie so etwas wie eine grundlose Sprachlosigkeit. Ihr Gespräch stockte, sie sanken ein in eine merkwürdige Stille, scherzten nicht mehr miteinander, hatten sich an diesem Tag nichts mehr zu sagen. Alan wirkte tatsächlich traurig. Eine sonderbare Art von Schweigen fiel auf sie beide herab. Wie den Buchstaben die Bedeutungen ausgegangen waren, so hatten sie vielleicht alles erlebt, was sie diesem Sommer erleben konnten, dachte Anne. Konnten zwei Menschen, die sich so

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