Nr. 13: Thriller (German Edition)
Qualifikation zu erreichen, die sie haben.“
Verunsichert senkte Kanthein den Blick.
„Wissen Sie etwas über Noel Haas?“ Daniel nickte ihm ermutigend zu. „Oder wer immer in dem Sarg liegt.“
Robert Kanthein zeigte zum anderen Ende des Friedhofs. „Da drübn. Da is ’n ganzes Einzelgrab voll davon.“
„Von was?“
„Schmetterlingen. Figuren, Stofftiere und so ’ne Stecker für Pflanzen, wo die oben drauf sind wie Mini-Fähnchen. Weiß nich, wie das heißt. So ’n Dekorationskrempel halt. Aber hübsch isses. ’n bisschen kitschig, aber hübsch.“
„Und?“
„Der Heimatverein wollte das nich. So ’n Zeug gehöre nicht aufn Totenacker. Das sähe lächerlich aus, dabei isses doch für ’n verstorbenes Kind. Das passt doch, finden Se nich?“ Kanthein wartete Daniels Antwort nicht ab. „Die Eltern wollten die Erinnerungsstücke aber nich wegräumen. Der Heimatverein beschwerte sich beim Friedhofsamt der Stadt Köln, aber die hatten mehr Herz und sachten, jeder darf trauern wie er will und dass die Eltern die Begräbnisstätte nicht verunstalten und auch den Nachbargräbern nich schaden.“
Dr. Sachs stöhnte theatralisch. „Noch mehr unsinnige Geschichten. Wenn ich so viel Zeit für Klatsch und Tratsch hätte wie Sie, würde ich meine Arbeit nie getan bekommen.“
Kanthein überging die Stichelei, weil Daniel ihn aufforderte weiterzusprechen. „Eines Tages war das Grab ein einziges Chaos. Sah aus wie ’n Acker im Spätsommer, wenn die Bauern die Felder umpflügen. Die Schmetterlinge lagen ringsherum verstreut. Der Boden drumherum war voller Dreck. Einiges von dem kitschigen Zeugs war untergehoben.“
„Eine Rache des Heimatvereins?“
„Viele denkn das, andere sagn, das sei nur böses Gerede.“
Lioba Zur stopfte die Ärmel ihres Mantels unter die Handschuhe. „Was wollen Sie uns damit sagen?“
„Nix.“ Kanthein zuckte mit den Achseln. „Nur dass das Mädchen da drüben auch Schmetterlinge gernhatte. Deshalb habn die Eltern die Deko ausgesucht.“
„Na bravo.“ Dr. Sachs sah auf die Uhr. „Unnützes Friedhofsgeschwätz.“
„Wenn das Grab durchwühlt aussah und die Randbereiche schmutzig waren“, dachte Daniel laut nach, „könnte es dann nicht sein, dass das Grab ausgehoben und wieder zugeschüttet wurde?“
Leander hielt noch immer das Taschentuch vor seine Nase. „Um an die Leiche zu kommen?“
„Weil man sie brauchte, um ein Kind bei einer fingierten Autoexplosion zu ersetzen?“, führte die Staatsanwältin den Gedanken zu Ende.
„Jungen tragen keine Haarspangen, aber Mädchen. Wahrscheinlich nahm der Täter sie der kleinen Toten nicht ab, weil er davon ausging, dass das Plastik vollkommen schmelzen würde.“ Unbewusst hatte Daniel die Hände an die Greifringe gelegt und seinen Bock vor- und zurückgeschaukelt. Nun, da er es bemerkte, hörte er damit auf. „Aber das ist nicht passiert.“
Dr. Sachs gestikulierte wild. „Haben Sie nicht gesehen, wie schwer es ist, den gefrorenen Boden auszuheben? Selbst mit einem Bagger.“
„Der Sarg der Kleinen ist noch nich lange im Boden drinne.“ Robert Kanthein sprach leise, als fürchtete er sich davor, noch einmal vom Gerichtsmediziner angeschnauzt zu werden. „Das Grab hatte sich noch nich mal gesenkt.“
„Also war es Schwerstarbeit, aber möglich.“ Daniels Kiefer schmerzte, weil er schon eine ganze Weile mit den Zähnen knirschte.
„Wo ein Wille, da ein Weg.“ Leander holte Block und Stift heraus und machte sich Notizen. „Besonders, wenn man ausreichend kriminelle Energie besitzt.“
„Und über die Todesanzeige konnte der Grabschänder von der Beerdigung erfahren haben.“ Womöglich hatten Familienangehörige und Freunde diese Information auch über soziale Netzwerke bekannt gegeben. Daniel hatte auch schon Gedenk-Websites gesehen, auf denen das vermerkt stand.
Wutentbrannt schnaubte Dr. Sachs. „Alles bloß wilde Theorien.“
„Und Sie werden sie verifizieren.“ Lioba Zur verlagerte ihr Gewicht ständig von einem Fuß auf den anderen, wohl weil sie fror.
„Oder entkräften“, sagte er mit einem herablassenden Lächeln, aber in seiner Stimme schwangen Zweifel mit.
Wenn Verena und Noel Haas nicht bei der Fahrzeugexplosion ums Leben kamen, was geschah wirklich mit ihnen? Zeitgleich verschwanden sie von der Bildfläche. Das musste geplant worden sein. Aber von wem? Von ihnen selbst? Wollten sie nun, da Stefan Haas aus der Haft entlassen worden war, untertauchen, weil sie Gefahr
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