Nr. 13: Thriller (German Edition)
war. Wann hatte sie das alles getrunken?
„Okay, gehen wir davon aus, dass es sich um eine Krankheit handelt.“ Er legte seine Handflächen aneinander, als wollte er sie bitten, endlich einsichtig zu sein. „Dann ist sie unheilbar, Marie. Deshalb dürften die Täter nie wieder aus der forensischen Psychiatrie entlassen werden.“
„Was weitaus mehr Geld kosten würde, als ihnen Arbeitslosengeld zu zahlen“, schlug sie ihn mit seinen eigenen Waffen. Sie feierte ihren kleinen Triumph, indem sie weiter Beerensaft schlürfte. „Die Päderasten gelten vor dem Gesetz als resozialisiert. Wie kannst du das als Hauptkommissar anzweifeln?“
Er knirschte mit den Zähnen. „Gesetz und Gerechtigkeit sind nicht immer ein und dasselbe.“
„Liegt nicht Gerechtigkeit im Auge jedes Einzelnen?“, fragte sie scharf und blinzelte ihn an. „Wie auch immer man darüber denkt, das Pilotprojekt der ehemaligen Gefängnisinsassen in der Nummer 13 scheint zu funktionieren. Keiner von ihnen ist seit der Entlassung wieder straffällig geworden.“
„Soweit man weiß.“
Marie wusste, was er damit andeuten wollte. „Das hätte man mitbekommen. Sie werden auf Schritt und Tritt verfolgt. Die Nachbarschaft hat eine Bürgerinitiative gegründet. Das Gebäude wird regelmäßig mit Schmähsprüchen besprüht und die Fensterscheiben werden eingeworfen. Neulich flog sogar ein Molotowcocktail in den Hausflur, aber es ist zum Glück nichts passiert. Findest du dieses Verhalten fair?“
Widerwillig schüttelte er den Kopf. „Feuer bekämpft man nicht mit Feuer. Aber die Menschen haben nur Angst um ihre Kinder.“
„Wo sollen die Täter denn hin?“ Unentwegt drehte sie ihren Ehering. Er schien ihr plötzlich zu eng. „Überall werden sie ausgegrenzt. Sie werden bespuckt und verprügelt. Kein Vermieter will sie aufnehmen.“
„Einer schon.“ Daniel zog den Kragen seines Pullovers nach unten. Vermutlich war ihm heiß, weil er sich aufregte. „Der von Nummer 13.“
„Das ist der Bruder eines der Bewohner. Auch ihm wird seitdem die Hölle heißgemacht.“ Eigentlich hasste Marie es zu streiten. Erst recht mit Daniel. Sie bemühte sich stets um Harmonie. Doch heute hatte sie keine Lust dazu, einzulenken. Eher das Gegenteil war der Fall. Sie genoss die hitzige Diskussion und goss Öl in die Glut. „Jeder hat eine zweite Chance verdient. Genau deshalb hast du doch um deine Stelle im KK 11 gekämpft. Weil man dich aufgeben wollte, nachdem du in den Rollstuhl gekommen warst. Die Straftäter wurden von der Gesellschaft auch abgeschrieben, doch Menschen können sich ändern.“
Daniel neigte sich vor, stützte sich mit den Ellbogen auf seinen Oberschenkeln ab und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. „Das ist wohl kaum zu vergleichen.“
„Weil die Meinung von Hauptkommissar Zucker die einzig wahre ist?“, spie sie giftig.
Seufzend lehnte sich Daniel zurück, legte seine Arme auf der Rückenlehne ab und musterte sie intensiv. „Warum bist du heute Abend so stachelig?“
„Ich gebe lediglich ausnahmsweise mal nicht klein bei.“ Sie leerte ihr Glas und goss sich den in der Flasche verbliebenen Wein ein, obwohl ihre Sicht schon verschwamm.
Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Zeitung in ihrem Schoß. „Warum stellst du dich auf die Seite der Täter, wo du doch ständig das Foto dieses Jungen streichelst?“
Er hatte recht. Sie hatte es unbewusst gemacht und hörte nun verlegen damit auf, weil es mehr über ihr Innenleben verriet, als ihr lieb war. Der Kölner Stadtanzeiger entglitt ihr. Er fiel zu Boden und sie ließ ihn dort liegen, weil sie befürchtete, dass ihr schwindelig werden würde, wenn sie das Tagesblatt aufhob.
Daniel tat es stattdessen, eine Arbeitsteilung, die ungewöhnlich war, da sie normalerweise auf Ordnung bedacht war. Mit dem Artikel nach oben legte er es auf den Tisch. „Versetz dich doch mal in die Lage der Eltern.“
Zu der eben noch empfundenen Empathie war sie nicht mehr fähig. Schuld trug nicht nur der Alkohol, sondern auch starke persönliche Gefühle, die sie blockierten. „Lass es gut sein, Daniel.“
„Ihr Kind wurde missbraucht und getötet.“ Jedes Argument untermauerte er mit einem Schlag auf das Foto neben dem von Timmy. Es zeigte das Haus Nummer 13 in der Bruchstraße. „Sie liebten es wie nichts anderes auf der Welt. Sie waren dafür verantwortlich, dass ihm nichts geschieht. Trotz ihrer Fürsorge wurde es ihnen genommen.“
„Ich will nicht weiter darüber reden.“ Sie
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