Nr. 799 (German Edition)
ich wieder hier?
»Hanna«, sagte er wieder.
»Ja, was?« Ich wollte ihn nicht anfauchen, daher biss ich die Zähne zusammen.
»Hanna. Liebst du mich?«
Ich sagte nichts.
Und damit beging ich einen Fehler.
Er funkelte mich an und fuhr schneller. Sein Gesicht war immer noch mir zugewandt.
Der Regen prasselte aufs Autodach, der Rockmusiker kreischte sich die Seele aus dem Leib, Bastian starrte mich von der Seite an.
»Halt an«, bat ich ihn.
Um mir zu demonstrieren, dass er genau das nicht tun würde, fuhr er noch schneller. Der Wagen schwankte und die Reifen quietschten, er landete für einen Moment auf dem Seitenstreifen.
»PASS AUF«, schrie ich ihn nun an.
Er sah die Angst in meinen Augen und kümmerte sich nicht um meine Worte. Es bereitete ihm Vergnügen, mit meinen Gefühlen zu spielen.
»VERDAMMT«, brüllte ich und schlug ihm auf die Hand, ich versuchte das Steuer vom Beifahrersitz aus an mich zu reißen, doch er stieß mich zurück, so dass ich mit meinem Hinterkopf an die Fensterscheibe schlug.
»Du Mistkerl«, zischte ich nun und rieb mir über den Kopf.
Er grinste. Seine blutunterlaufenen Augen leuchteten im Licht des – ich erstarrte und sah auf die Straße. Im Licht des Lastwagens , der gerade in die Straße bog. Er kam uns in rasender Geschwindigkeit entgegen.
Ich wollte aufschreien, ich wollte Bastian noch mal sagen, dass er aufpassen sollte.
Doch es war zu spät.
Im letzten Moment hörte ich das ohrenbetäubende Hupen des Lastwagens, dann kam der Aufprall.
Unser Wagen wurde auf die Seite geschleudert, mit der Stirn landete ich auf dem Armaturenbrett, ich schmeckte Blut auf meinen Lippen. Ein grauenvoller Schmerz jagte durch meinen Rücken. Ich schrie auf.
Schließlich kam der Wagen mit einem dumpfen Poltern zum Stehen. Er hatte sich einmal um sich selbst gedreht, jetzt war der Lastwagen wieder in meinem Blickfeld.
»Bastian?«, fragte ich leise, aber ich konnte meinen Kopf nicht bewegen. Alles, was ich sehen konnte, war der Lastwagen, aus dem nun ein Mann stieg. In seinen Armen lag ein Junge mit dunkelblonden, blutdurchtränkten Haaren. Ich schaute genauer hin, strengte mich an, um ihn erkennen zu können. Das konnte doch gar nicht ... Das war doch nicht ...
David.
Und dann wurde alles schwarz um mich herum.
KAPITEL 22
»Geben Sie mir noch eine letzte Chance.«
»Nein, Nummer Fünf. Das war’s. Wir haben sie jetzt siebzehn Mal zurückgeholt. Siebzehn Mal haben wir auf Sie gehört. Wir löschen sie jetzt aus und entziehen Ihnen die Überführerlizenz.«
»Aber ich habe doch Fortschritte gemacht. Ich habe diesen David dazugeholt. Sie wäre fast geblieben.«
»Nummer Achthundert haben Sie bereits fünfzehn Mal dazugeholt. Das Ende war jedes Mal gleich, Nummer Fünf.«
»Aber doch nur, weil ich diese Tür aufgemacht habe. Ich dachte, sie wäre schon so weit. Ich hätte warten sollen. Alles andere hat doch geklappt. Das Zimmer direkt neben der Nummer Achthundert, der Nachhilfeunterricht, meine wegweisenden Sprüche an der Wand, ja, sogar meine Kapuzenverkleidung ... Ich kann meinen Fehler wiedergutmachen.«
»Nummer Fünf, ich kann beim besten Willen keinen Fortschritt erkennen. Ich fürchte, dass es sich hier einfach um einen dieser Fälle handelt, in der die schlecht überführte Seele ihren ungeschickten Peiniger in den Wahnsinn treibt. Und jener Peiniger wären dann leider Sie, so sehr wir Sie alle hier auch schätzen! Jedes Mal müssen wir andere Überführerneulinge dazuholen, damit Ihr kleines Experiment hier funktioniert. Und dieses Mal haben wir sogar fast dieses arme Mädchen verloren, weil wir uns ganz auf Nummer Siebenhundertneunundneunzig konzentriert haben und die Vorzeichen ihrer Erinnerungskrankheit nicht früh genug erkannt haben. Stattdessen spielen wir hier nur Theater, um diese schlecht überführte Seele zu retten , ja, Ihren lächerlichen Fehler wieder geradezubiegen. Wir löschen die Seele jetzt. Es ist vorbei.«
»Noch ein Mal.«
»Nummer Fünf ...«
»Noch ein einziges Mal.«
»Ein letztes Mal?«
»Ja, ein letztes Mal!«
»Ihnen ist klar, dass sich wahrscheinlich alles genau so abspielen wird wie die letzten paar Male?«
»Ich flehe Sie an. Diesmal wird Hanna loslassen. Diesmal wird ihre Überführung ein gutes Ende finden und ich werde endlich wieder frei sein. Frei von Schuld und frei von ihr.«
»Na gut. Fräulein Ingrid W., notieren Sie: Nummer Siebenhundertneunundneunzig – Versuch Nummer Achtzehn. Der letzte Versuch.«
KAPITEL 23
Ich
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