Nubila 01: Das Erwachen
die ihr gesamtes Leben noch vor sich hatte.
„ Ist sie tot?“, fragte Cynthia, Jasons Cousine und strich der Menschenfrau ein paar Strähnen aus dem Gesicht.
Wie zur Antwort schüttelte diese ihren Kopf hin und her. Sie stöhnte auf und Tränen liefen ihr über die Wangen.
„ Die Verwandlung hat bereits begonnen“, sagte Doreen. „Alles was wir jetzt tun können ist warten.“
„ Verdammt, verdammt, verdammt“, fluchte Jason. „Wie konnte das nur passieren?“
„ Du hattest deine Brut nicht im Griff“, stellte Violette grimmig fest.
„ Laney ist doch noch ein Kind“, verteidigte Cynthia ihre Nichte. „Sie wusste nicht, was sie tut.“
„ Allerdings nicht“, bestätigte Violette und funkelte ihren Bruder wütend an. „Jason musste sie von dem Ding fortzerren und selbst dann hat sie noch versucht ihn anzugreifen. Wegen solchen Vorfällen nennen die Menschen uns Monster, Jason. Und zwar zu Recht.“
In diesem Moment öffnete das Mädchen die Augen.
Jason vermutete, dass sie zugehört hatte und fragte sich, was sie bei der Erwähnung von Monstern wohl erwartet hatte. Sicherlich nicht, in die Gesichter von vier normal wirkenden, besorgten Menschen zu blicken. Jason und seine Familie sahen alle so aus wie erfolgreiche Collegestudenten in einem Alter zwischen zwanzig und dreißig. Gutaussehend, selbstbewusst, gut gekleidet… Er konnte sich denken, wie dieser Anblick auf Kathleen wirken musste.
„ Hallo, Menschenmädchen“, sagte Jasons Mutter, die sich nah über ihr Gesicht beugte. „Ich bin Doreen. Und das hier ist meine Familie. Das sind Viktor, mein Mann, Violette und Jason, meine Kinder und Cynthia, meine Nichte. Wie heißt du?“
„ Kathleen“, antwortete die junge Frau automatisch, ohne wirklich etwas von dem zu verstehen, was die Frau zu ihr gesagt hatte. Ihre Augen waren glasig und bevor sie ein weiteres Wort hervorbringen konnte, begann sie wieder unkontrolliert zu zittern.
„ Wie weit ist das Gift schon fortgeschritten?“, fragte Viktor besorgt.
„ Schwer zu sagen“, gab Doreen zurück. „Aber ich fürchte, dass sie bald anfangen wird zu krampfen. Ich denke wir sollten sie in den Schutzkeller bringen.“
Jason sah wieder weg. Er konnte dieser jungen Frau nicht in die hübschen Augen sehen. Sie waren grün und wunderschön, aber sie gaben ihm das Gefühl unwahrscheinlich verantwortungslos zu sein. Jeder wusste, dass Kinder ihren Durst noch nicht im Griff hatten. Als Laney das Blut gerochen hatte, war sie sofort darauf zugerannt. Es war nicht das erste Mal, dass Jason gestaunt hatte, wie schnell sie für ihre fünf Jahre bereits war, denn er hatte wirklich Schwierigkeiten gehabt sie einzuholen. Bei den beiden Menschen angekommen, hatte er noch versucht Laney zurückzuhalten, aber er hatte es nicht mehr geschafft.
Die junge Frau schrie auf und riss Jason damit aus seinen Gedanken. Sie schrie so laut, dass ihm einen Augenblick lang das Trommelfell schmerzte und er sich verwirrt wieder nach ihr umsah. Ihr Brustkorb zog sich zusammen und Tränen liefen über ihre Wangen. Sie bäumte sich auf und ihr ganzer Körper schien auf einmal zu vibrieren.
Dann ließ sie sich abrupt zurück auf den harten Boden fallen, sodass ihr Kopf sicherlich hart auf den Stein unter ihr geknallt wäre, wenn er nicht schnell seine Hand dazwischen gehalten hätte um sie abzufangen. Ihr Haar war ungewöhnlich weich.
Kathleen wimmerte leise vor sich hin und nahm die Stimmen um sich herum offenbar nur noch schemenhaft wahr.
„ Was ist mit ihr?“, fragte Jason besorgt.
„ Das ist doch wohl nicht schwer zu erraten“, gab Doreen zurück. „Sie hat die nächste Stufe der Verwandlung erreicht.“
Kathleen warf sich hin und her und versuchte die Arme abzuschütteln, die sie an den Boden fesselten.
„ Mein Hals“, keuchte sie und allen war klar, dass sie damit nicht die äußerlichen Schmerzen meinte.
„ Es fängt an“, sagte Viktor bestimmt. „Los. Wir müssen Antonio holen und sie nach unten schaffen.“
„ NEIN“, schrie Kathleen, als ihr klar wurde dass irgendetwas nicht stimmte. „SAM. Wo ist SAM?“
„ Was… Was soll ich tun?“, fragte Jason, als Cynthia verschwunden war, um den Heiler des Hauses, Antonio, zu holen. „Wie kann ich helfen?“
Viktor betrachtete seinen Sohn einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf.
„ Du kannst hier momentan gar nichts tun“, sagte er. „Geh nach oben, Jason. Geh nach oben und sieh nach Laney. Alles andere klären wir später.“
Jason
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