Nubila 01: Das Erwachen
war eigentlich sogar ein Vorteil, denn so bekam man keine Probleme, wenn man die Neuen herumlaufen ließ, während sie noch von der Familie gesucht wurden.
Allerdings passierte so etwas ja ohnehin selten. Es war eigentlich verboten jemanden einfach so zu verwandeln und es war auch verdammt schwer von einem Menschen abzulassen, bevor man ihn tötete. Wäre er nicht gewesen, dann hätte Laney wahrscheinlich gar nicht die Kraft gehabt von Kathleen zu lassen. Aber es ergab leider keinen Sinn sich darüber weiterhin Gedanken zu machen.
Kathleen stöhnte auf und fing an den Kopf von einer Seite zur anderen zu werfen. Sie schwitzte am ganzen Körper und ihre Kleidung sah absolut grauenvoll aus. Viktor und Doreen hatten sie wirklich einfach nur nach unten gebracht. Ohne irgendetwas sonst für sie zu tun. Jason schluckte. Kathleen musste gesäubert werden und brauchte frische Kleidung. Und das am besten bevor die Verwandlung vollkommen war und der Wahnsinn anfing. Denn dann würde es praktisch unmöglich sein sie umzuziehen.
„ Sam“, flüsterte Kathleen plötzlich. „SAM. Nein. Bitte. Bitte.“
Jason machte einen Schritt auf die junge Frau zu und berührte vorsichtig ihre Hand. Sie war eiskalt. Die Verwandlung war also schon ziemlich weit fortgeschritten und im Moment kämpfte Kathleen mit ihren Fieberträumen. Sam. Sie hatte diesen Namen schon mehrmals genannt und Jason vermutete, dass es ihr Mann oder ihr Freund sein musste.
Vermutlich handelte es sich dabei um den armen Tropf, der von den Wilden getötet worden war.
Neugierig betrachtete Jason die junge Frau vor sich eingehender. Sie war eigentlich ganz hübsch, auf eine schlichte, unaufdringliche Weise. Aber was besonders an ihr auffiel, war das lange, wallende Haar. Die Diener trugen ihr Haar alle kurz, weil man es ihnen in der Fabrik bereits vor der Verwandlung schnitt, aber Jason hielt es für nebensächlich, das jetzt noch mit Kathleen zu tun. Sollte sie ihre langen Haare doch behalten. Wahrscheinlich waren sie inzwischen ohnehin schon durch das Gift zu resistent gegen eine Schere geworden. Das war nur einer der Unterschiede zwischen Jasons Rasse und den Dienern. Um seine Haare kurz zu halten, musste er sie regelmäßig stutzen lassen. Die Diener mussten das nicht. Ihre Frisur blieb immer gleich. Auf ewig eingefroren in derselben Position.
Kathleen trug ein hübsches Sommerkleid und um ihre Schulter hing immer noch die weiße Handtasche. Jason zögerte einen Augenblick, weil er sich unsicher war, ob er das Recht hatte hineinzusehen. Aber da Kathleen jetzt seine Verantwortung war, würde er sicherlich auch ein paar Hintergrundinformationen einholen dürfen.
Die Handtasche war ziemlich klein und an einigen Stellen mit Blut befleckt. Sie war aus einem lederähnlichen Material und wirkte ziemlich billig, aber modisch. Jason zerriss das Band, mit dem die Tasche en Kathleens Körper gebunden war und öffnete neugierig den Reißverschluss. Für die heutige Zeit trug Kathleen relativ wenig mit sich herum. Jason hatte im Fernsehen gesehen, dass die Männer immer darüber scherzten, Frauen würden einen ganzen Drogeriemarkt mit sich herumschleppen, aber Kathleen schien sich aus solchen Dingen nicht viel zumachen. Zum Vorschein kamen aus ihrer Tasche nur ein Labello, ein Kajal, eine Packung Taschentücher, ein Portemonnaie und ein Handy. Das Handy war aus. Entweder hatte sie es nur für Notfälle dabei, oder es war eines dieser Modelle, bei denen die Batterie viel zu schnell leer wurde. Jason war schon immer fasziniert davon gewesen, wie schnell die Menschen sich fortentwickelten und es schafften immer mehr Dinge zu erfinden, die ihnen das Leben erleichtern sollten, es aber eigentlich eher verkomplizierten. Das Handy und das Fernsehen waren nur ein paar Beispiele dafür.
Kathleens Portemonnaie gab schon etwas mehr Auskünfte. Sie trug kaum Bargeld bei sich, hatte eine EC-Karte, aber keine Kreditkarte. Besonders wohlhabend konnte sie also nicht sein. Ihr Pass, ein Studentenausweis und ein paar Fotos waren noch da. Eines bildete sie und einem Mann mit rötlichen Haaren ab. Das musste Sam sein, dachte Jason nachdenklich und betrachtete mitleidig das freundliche Gesicht des Mannes. Ein anderes Foto zeigte ein etwas älteres Pärchen, das eine gewisse Ähnlichkeit mit Kathleen aufwies. Jason vermutete dass es sich dabei um ihre Eltern handelte. Schuldgefühle überkamen ihn, denn er wusste genau, dass diese Menschen ihre Tochter niemals wieder sehen durften. Auf dem Pass
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