Nubila 01: Das Erwachen

ist Kathleen.“
    „ Sie ist hübsch“, sagte Greg und hob anerkennend eine Augenbraue.
    Delilah hatte Kathleen gewaschen und ihr eines der weißen Nachthemden angezogen, das alle Diener nachts trugen. Die unförmige Kluft, die die Diener für die Arbeit trugen, war im Prinzip zu schade für Kathleens Fall. Es war immerhin abzusehen, dass sie in nächster Zeit einige Male ihre Kleidung zerreißen würde.
    Jason warf der jungen Frau einen Blick zu und sah dann sofort wieder zu Greg. Er wollte gar nicht wissen, ob Kathleen hübsch war, obwohl es ihm natürlich auch längst aufgefallen war. Die Verwandlung war inzwischen schon sehr viel weiter fortgeschritten und Kathleens Haut war inzwischen fast so blass, wie die der anderen Diener. Ihr braunes Haar hatte sich bereits ziemlich verfärbt und sah inzwischen grau aus. Es war klar, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis es einen hellblonden Ton annehmen würde. Aber trotz dieses Zwischenstadiums hatte Greg natürlich recht.
    Sie war hübsch. Wie bei allen Dienern, war das Gift dabei ihre Fehler auszugleichen, wodurch sie zu einem ähnlich perfekten Geschöpf werden würde, wie Antonio oder Delilah. Missmutig verzog Jason den Mund. Er war in dem Wissen aufgewachsen, dass Diener keine sexuellen Wesen waren. Sie empfanden keine Liebe und keine Lust, zumindest wollten einem die Ältesten das weismachen. Doch es war bereits mehrfach vorgekommen, dass Jason diese Tatsache ernstlich in Frage gestellt hatte. Über dieses Thema wollte er sich aber jetzt gerade ungern weiter Gedanken machen.
    „ Hast du etwas über Kathleen herausgefunden?“, fragte er stattdessen, sowohl um das Thema zu wechseln, als auch weil es ihn interessierte.
    Gregs Miene wurde wieder etwas betrübter. Viktor und Doreen hatten ihn noch am ersten Tag angerufen und ihn gebeten der Spur von Kathleen zu folgen, solange sie noch frisch war. Das war die sicherste Methode, um herauszufinden, wo Kathleen herkam und ob irgendjemand nach ihr suchen würde.
    „ Da gibt es sowohl gute, als auch schlechte Neuigkeiten“, sagte Greg und warf Kathleen einen verstohlenen Blick zu, als müsste er nachsehen, ob es in Ordnung war wenn er Jason von ihren Geheimnissen erzählte.
    „ Unsere liebe Kathy hier wird wahrscheinlich nicht lange gesucht werden“, sagte Greg dann.
    „ Sind das die guten oder die schlechten Neuigkeiten?“, fragte Jason misstrauisch.
    „ Die guten“, gab Greg zurück. „Gut für uns zumindest. Gleichzeitig aber schlecht für sie. Ist ne traurige Geschichte. Ich habe ihren Namen in den Personenregistern ausfindig machen können. Sie hat keine Familie mehr. Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Aber sie lebte mit einem Mann zusammen.“
    „ Hieß der Mann zufällig Sam?“, fragte Jason missmutig.
    Greg sah ihn verwundert an und nickte dann.
    „ Woher weißt du das?“, fragte er und wirkte dabei etwas beleidigt.
    Jason schüttelte den Kopf, um zu zeigen, dass das irrelevant war.
    „ Erzähl weiter“, forderte er Greg auf.
    „ Also gut“, seufzte Greg. „Lange Rede kurzer Sinn. Kathy verliert in jungen Jahren ihre Familie und Sam fängt sie wieder auf. Die beiden leben mehrere Jahre zusammen, heiraten aber nie. Aus irgendeinem Grund fuhren sie dann gestern mitten durch den Wald und wurden von Wilden angegriffen. Er wird gebissen und verliert zu viel Blut. Dennoch bildet er sich ein fahren zu müssen und stößt gegen einen Baum. Er stirbt, sie fliegt durch die Windschutzscheibe und wird bald darauf von Laney gefunden. Den Rest kennst du.“
    Greg warf Jason einen abschätzenden Blick zu, um herauszufinden, ob er wieder vorhaben sollte ihn zu unterbrechen, doch Jason hielt sich mit seinen Kommentaren zurück.
    „ Tja“, sagte Greg seufzend. „Mehr kann ich dir wohl auch nicht berichten. Das Auto habe ich in die Luft gejagt, sodass es nach einem Unfalltod aussieht. Sofern Kathleen also nicht zufällig eine allerbeste Freundin hat, die konsequent ihren Tod anzweifelt, dann wird der Fall von den Menschen sicher bald zu den Akten gelegt.“
    Jason sah betreten in Kathleens Richtung, die immer noch sehr schwer atmete und mit jeder Minute blasser zu werden schien. Ihr Herzschlag ging immer langsamer und ihm war klar, dass er irgendwann ganz aussetzen würde. Dann war sie entweder tot oder trat in die nächste Phase der Verwandlung ein.
    „ Armes Ding“, sagte Jason betreten. „Wäre sie nicht in den Wald gekommen, dann hätte sie wahrscheinlich ein ganz normales