Nubila 01: Das Erwachen
jedweden Kommentar. Sie hatte den Versuch ihre Eltern ins zwanzigste Jahrhundert zu befördern schon lange aufgegeben.
„ Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, wenn du kein Menschenblut mehr trinkst“, sagte Cynthia vermittelnd zu Laney. „Bei den Menschen gibt es doch auch Vegetarier.“
„ Ja“, gab Jason zu. „Aber die sind Vegetarier, weil sie den Gedanken nicht ertragen können, dass für ihr Mittagessen jemand stirbt. Für dieses Blut ist aber niemand gestorben. Es kommt aus der Fabrik. Die Menschen leben.“
„ Ja, aber unter welchen Bedingungen…“
Cynthia war immer schon dagegen gewesen, dass man die Fabriken erschaffen hatte. Es erschien ihr fast noch grausamer als die Jagd, und die bewusste Erschaffung von Dienern hielt sie für absolut schwachsinnig. Sie kümmerte sich immer um alle ihre Sachen selbst und gestattete es keinem der Diener irgendetwas für sie zu tun. Sie war zwar genau wie Jason mit den Dienern groß geworden, doch aus irgendeinem Grund hatte sie von klein auf eine Abneigung dagegen verspürt bedient zu werden.
„ Vielleicht bist du ja dann eine Art Veganer“, sagte Greg an Laney gewandt. „Die essen nicht mal Eier, und für Eier muss ja auch kein Tier sterben.“
„ Doch“, widersprach Violette. „Ein Ungeborenes.“
„ Wenn es nicht befruchtet ist, dann ist es auch kein Tier“, sagte Greg stur.
„ Sagt wer?“
„ Sage ich. Oder würdest du eine deiner Eizellen als Lebewesen bezeichnen?“
„ Als potenzielle Lebewesen schon“, beharrte Violette und stellte ihr Schälchen ab, um Greg böse anzufunkeln.
„ Das muss aber dann sehr potenziell sein, so lange wie du schon versuchst schwanger zu werden“, feixte Greg.
Die Frauen am Tisch sogen entgeistert die Luft ein und Viktor stand demonstrativ vom Tisch auf.
„ So, das reicht jetzt“, beharrte er. „Das ist wirklich kein nettes Thema für eine Tischunterhaltung und ich wette, dass jeder von uns noch ein paar Dinge zu tun hat.“
„ Was denn?“, fragte Violette schnippisch. „Lesen, Klavier spielen, oder Teller bemalen?“
„ Die Menschen wären froh, wenn sie sich mit solcherlei Dingen beschäftigen könnten, statt sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu müssen“, bemerkte Doreen und stellte sich unterstützend neben ihren Mann. Wie immer wirkten die zwei wie das perfekte Paar. Zwei Teile eines ganzen, die einander perfekt ergänzten. „Wenn du etwas sinnvolles tun willst, dann könntest du es ja machen wie Cynthia und deine Räume selbst sauber halten.“
Violette verzog den Mund und griff wieder nach ihrer Schale.
„ Nein danke“, sagte sie. „Ich denke, das überlasse ich weiterhin den Dienern.“
„ Wo wir gerade beim Thema sind…“, sagte Cynthia und sah in Richtung Tür. Alle wandten den Kopf.
Delilah stand im Rahmen und hatte offensichtlich aufgehört zu atmen. Ihre hellblauen Augen waren ungewöhnlich geweitet und sie starrte auf Laneys unangerührtes Schälchen, aber sie hatte sich ganz offensichtlich im Griff. Jahrelanges Training hatte sie relativ unempfindlich in Bezug auf Blut werden lassen.
„ Delilah“, sagte Jason überrascht. „Alles in Ordnung?“
Delilah sah zum Fenster, öffnete aber nicht den Mund. Die Diener konnten theoretisch sehr lange die Luft anhalten, mussten jedoch einatmen, um zu reden. Delilah wollte sich jedoch ungern in Versuchung bringen, indem sie sich dem Blutgeruch direkt aussetzte.
„ Das Fenster“, sagte Viktor sofort zu Greg. „Öffne das Fenster.“
Greg gehorchte sofort und Sekunden später strömte frische Luft durch die Küche.
„ Danke Herr“, sagte Delilah ergeben und hielt dabei den Blick gesenkt.
„ Schon gut, Delilah“, gab Viktor zurück. „Was ist los?“
Kein Diener würde es wagen ohne Grund das Mahl der Herren zu stören und Delilah war bereits so lange im Haus, dass sie die Regeln absolut verinnerlicht hatte und nie im Leben auf die Idee kommen würde dagegen zu verstoßen.
„ Ich dachte, es würde den jungen Herrn vielleicht interessieren…“, begann Delilah in Jasons Richtung, ohne dabei den Blick zu heben. „Die Neue… Sie… Sie ist wach.“
Kapitel 4
Blutrausch
Sie war wie ein Tier. Die junge Frau, die Jason noch vor ein paar Stunden in Kathleen hatte erkennen können, schien vollkommen verschwunden zu sein und an ihre Stelle war ein nicht zu bändigendes Tier getreten. Kathleens Körper hatte fast jegliche Farbe verloren, weil das Gift ihrer Haut, ihren Haaren
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