Nubila 01: Das Erwachen
tief durch und öffnete dann vorsichtig die Tür. Es war durchaus möglich, dass Kathleen jeden Moment wieder aufsprang und sich auf ihn stürzte, und dieses Risiko wollte er gerne minimieren. Andererseits wiederum konnte es auch sein, dass sie zu den zehn Prozent gehörte, die die zweite Phase der Verwandlung nicht überlebten. Jason schluckte. Die Tür war offen, aber er zögerte immer noch einzutreten.
„ Jason!“, rief Greg hinter ihm und Jason zog erschrocken die Tür wieder zu.
„ Bist du denn verrückt?“, zischte er und sah Greg wütend an.
„ Sorry, Mann“, sagte Greg und sah neugierig durch den Spalt. „Delilah hat gesagt, du bräuchtest mich. Was ist mit Kathy los? Hat die Kleine sich verausgabt?“
„ Ich hoffe, dass es nur das ist“, sagte Jason ein wenig besorgt und sah auf seine Hand hinunter, die immer noch die Türklinke hielt. „Ich gehe rein und sehe nach.“
„ Echt jetzt?“, fragte Greg aufgeregt. „Cool. Darf ich mit reinkommen?“
„ Nein“, sagte Jason sofort. „Du bleibst hier an der Tür und sorgst dafür, dass ich schnell raus kann, ohne dass sie mit nach draußen kommt, klar?“
„ Aber ich…“
„ KLAR?“
„ Ist ja gut, Mann.“
Jason schüttelte verwundert den Kopf. Greg schien es sich in den Kopf gesetzt zu haben jede potenzielle Gefahr unbedingt ausprobieren zu müssen.
Ohne das Unvermeidliche noch weiter hinaus zögern zu können, stieß Jason die Tür auf und ging hinein. Greg steckte den Kopf durch den Spalt, um ihn bei jedem Schritt beobachten zu können, doch das war Jason nur ganz recht. Er brauchte Greg jetzt und dieser war offensichtlich stolz auf diese Tatsache.
Kathleen lag vollkommen bewegungslos auf dem Bauch. Ihr Gesicht war von ihren Haaren verdeckt und sie schien auf den ersten Blick nicht zu atmen. Da Jason jedoch bewusst war, dass die Diener nicht atmen mussten, kam ihm das nicht unbedingt eigenartig vor. Sie atmeten die meiste Zeit aus Gewohnheit, weil sie durch den Geruch mehr von ihrer Umgebung wahrnehmen konnten.
„ Und? Ist sie tot?“, drang Gregs Stimme von hinten an Jasons Ohr und dieser hob abwehrend die Hand, um Greg zu bedeuten dass er den Mund halten sollte.
Dann kniete Jason sich zu Kathleen hinunter und berührte vorsichtig ihren Arm. Dabei blieb er jedoch immer auf der Hut, für den Fall dass sie plötzlich wieder aufspringen sollte. Es war immerhin auch möglich dass sie nur simulierte. Als sie auf seine Berührung nicht reagierte, drehte er sie langsam um, sodass ihre Haare zurückfielen und er einen freien Blick auf ihr hübsches Gesicht hatte.
Sie sah friedlicher aus, als Jason sie jemals zuvor gesehen hatte. Bei ihrem unfreiwilligen Kennenlernen war sie vollkommen verheult und verzweifelt gewesen und hatte sich vor Schmerzen gewunden. Danach war ihr Gesicht durch den Wahnsinn verzerrt gewesen. Aber jetzt wo sie nach tagelangem Kampf gegen sich selbst und gegen die Türe, die sie gefangen hielt, zusammen gebrochen war, wirkte sie unschuldig und zerbrechlich wie ein Kind.
Sie schlief. Es gab zwar keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass sie noch lebte, aber sein Instinkt sagte ihm, dass sie nur schlief. Um sich endgültig zu versichern, legte Jason einen Finger, an ihre Halsschlagader und wartete. Kathleens Herz hatte den Kampf gegen das Gift noch nicht endgültig aufgegeben, obwohl das nur noch eine Frage der Zeit sein konnte. Kathleens Herzschlag würde erst dann vollkommen zum Stehen kommen, wenn die Verwandlung vollkommen abgeschlossen war.
Ihr Puls war relativ langsam, aber immer noch stetig und jetzt sah Jason auch, wie sich ihre Brust einmal hob und senkte, als sie tief Luft holte. Irgendwie tat sie ihm schrecklich leid. Das gute an der Sache mit der Verwandlung war jedoch, dass sie nicht mehr so schrecklich verführerisch roch. Sie hatte den Geruch eines Menschen abgelegt und war jetzt genauso neutral, wie jeder der Diener. Jason war nur bisher nicht so sehr aufgefallen, wie hübsch das Gift einen Menschen machen konnte. Nicht, dass sie vorher hässlich gewesen wäre, er hatte ja die Fotos aus ihrem Portemonnaie gesehen auf denen sie mit ihrem Mann abgebildet war. Doch erst durch das Gift schien ihre Schönheit so richtig zu erstrahlen.
„ Jason?“, erklang Gregs Stimme wieder von hinten und Jason drehte sich abrupt zu ihm um. „Ist sie tot?“
In seiner Stimme klang reine Neugier. Keine Angst oder Mitleid, sondern der pure Wissensdurst eines Halbstarken. Dabei war Greg bereits an der Schwelle zum
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