Nubila 01: Das Erwachen
Leben führen können. Vielleicht hätte dieser Sam sie sogar noch geheiratet. An ihrem Finger steckt ein Ring…“
„ Tja. Dieses Schicksal hat Laney jetzt verändert“, gab Greg zu bedenken. „Kathy wird als Dienerin leben. Das ist jetzt ihre neue Bestimmung.“
Jason nickte. Ihm war klar, dass er die Vergangenheit nicht mehr ändern konnte. Aber zu wissen, dass Kathleen wahrscheinlich eine schöne Zukunft vor sich gehabt hätte, erleichterte sein Gewissen nicht im Geringsten. Durch die Verwandlung würde Kathleen den Großteil ihres alten Lebens vergessen, und das war wahrscheinlich sogar ganz gut so. Ein weiterer Pluspunkt war, dass Kathleen wahrscheinlich ohnehin gestorben wäre, wenn er sie nicht gefunden hätte. Entweder wäre sie erfroren, verhungert, oder von den Wölfen gefressen worden.
„ Wie… Wie geht es eigentlich Laney?“, fragte Greg nachdenklich, während er Kathleen betrachtete.
Jason seufzte. Das war eine verdammt gute Frage. Laney schwieg seit Monaten und wollte mit niemandem reden. Sie litt manchmal unter Angstzuständen und schreckte jedes Mal zusammen, wenn jemand unangekündigt in ihrem Zimmer auftauchte.
„ Unverändert“, gab Jason traurig zurück.
„ Redet… Redet sie auch nicht mit Cynthia?“, fragte Greg nach. Cynthia hatte von allen aus der Familie das sanfteste Gemüt und hatte auf jeden eine beruhigende und vertrauenerweckende Wirkung.
„ Soweit ich weiß nicht“, gab Jason betrübt zurück. „Es könnte natürlich sein, dass Cyn das für sich behält, aber das glaube ich nicht.“
„ Nein. Ich auch nicht.“
Cynthia war ein von Grund auf ehrlicher Mensch und Jason vermutete, dass sie nicht einmal dazu imstande gewesen wäre zu lügen, wenn ihr Leben davon abhinge.
„ Hast du denn eine Ahnung, warum sie nicht redet?“, fragte Greg neugierig. „Meinst du, dass es immer noch mit dem Tod ihrer Mutter zusammenhängt?“
„ Ich weiß es nicht“, gab Jason zu. „Aber es kann auch sein, dass es inzwischen auch noch andere Gründe hat… Ich glaube, dass sie auch ziemlich enttäuscht von mir ist, weil ich… weil ich so oft fort war in letzter Zeit.“
„ Verständlich.“
Jason warf Greg einen wütenden Blick zu, sagte aber nichts. Greg hatte schließlich Recht. Für sein Verhalten gab es keine Entschuldigung. Statt sich um seine Tochter zu kümmern, die immerhin ihre Mutter verloren und ein traumatisches Erlebnis hinter sich gebracht hatte, war er immer wieder davongelaufen und hatte Wilde gejagt, wo auch immer er welche finden konnte. Er hatte einige erledigt, aber am Ende hatte der Schmerz dadurch nicht nachgelassen. Es war notwendig, dass Laney zuerst einen Menschen beißen musste, damit Jason sich endlich daran erinnerte, dass sie auch noch da war und ihn brauchte.
„ Hey, Jungs“, rief eine weibliche Stimme und die Männer drehten sich gleichzeitig um.
Cynthia kam schwungvoll die Treppe heruntergesprungen und sah dann mit besorgtem Gesichtsausdruck von einem zum anderen. Ihre Mähne umrundete wie immer wild ihr Gesicht und nicht zum ersten Mal fragte Jason sich, von wem sie wohl ihren Afrolook geerbt hatte. Die meisten Herren hatten glatte Haare, so wie die Ältesten. Manche hatten leichte Locken, aber Jason wusste auf Anhieb niemanden, der solche Haare hatte wie Cynthia. Es wirkte immer, als würde sie eine Perücke tragen und es war ein Glück, dass sie sich nicht großartig etwas aus Äußerlichkeiten machte. Violette wäre an diesen Haaren sicherlich schon längst verzweifelt.
„ Was gibt’s, Cyn?“, fragte Greg grinsend. „Willst du Jason auch noch eine Strafpredigt halten, weil er sich nicht genug um Laney kümmert?“
Cynthia schnaubte und versetzte ihrem kleinen Bruder einen leichten Stoß.
„ Mach darüber keine Scherze“, sagte sie vorwurfsvoll. „Es geht wirklich um Laney.“
„ Was ist mit ihr?“, fragte Jason sofort alarmiert.
Cynthia hob vielsagend eine Augenbraue, als sie Jasons Tonfall erkannte.
„ Sie will kein Blut trinken“, erklärte sie. „Und jetzt ratet mal… Sie will mir nicht sagen warum.“
Als Jason ins Esszimmer kam, saßen Viktor, Doreen und Violette bereits mit Laney am Tisch und jeder hatte eine winzige Schale Blut vor sich stehen. Das Zimmer war wie jedes andere ziemlich groß und weitläufig, hatte aber eine entscheidende Besonderheit. Die eine Wand bestand aus einem riesigen Fenster, das man elektrisch hoch und runter fahren konnte, damit der gesamte Raum gelüftet werden konnte. Das war
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