Nubila 01: Das Erwachen
erklärte Jason. „Weißt du… Unsere Rasse entstand ursprünglich auf einer isolierten Insel. Wir stammen von den dortigen Ureinwohnern ab und haben uns über Jahrhunderte hinweg weiter entwickelt. Vermutlich hat sich meine Rasse nur entwickeln können, weil die Population so klein war und es damals noch kaum Reisende gab, die diese Entwicklung hätten unterbrechen können. Wir haben uns im Laufe der Zeit ziemlich weit zivilisieren können, aber es liegt immer noch in unserer Natur Menschen anzugreifen. Das war immer so und daran wird sich nie etwas ändern. Und manchmal… werden wir von unseren Instinkten übermannt. Besonders wenn wir frisches Blut sehen. Vielleicht wirst du das irgendwann noch verstehen.“
Kathleen zog grimmig die Augenbrauen zusammen, als würde sie ihm kein Wort glauben. Diese ganze Geschichte von Monstern und Vampiren kam ihr viel zu unrealistisch vor, um irgendwie der Wahrheit entsprechen zu können. Andererseits wiederum, konnte sie sich ohnehin an kaum etwas erinnern. Doch bevor Kathleen Jason weiter aushören konnte, trat aus dem Haus eine junge Frau mit einer unglaublichen Lockenmähne hinzu und berührte Jason zaghaft am Arm.
„ Jason“, sagte sie und Jason sah sich überrascht nach ihr um.
„ Was ist los, Cyn?“, fragte er etwas ungehalten.
„ Deine Eltern wollen wegen der Zeremonie mit dir reden.“ erklärte sie und warf dabei einen unsicheren Blick auf Kathleen.
„ Sag ihnen ich bin beschäftigt.“
„ Du kannst doch auch nachher noch mit ihr reden, oder?“
Jason sah wieder zu Kathleen, die ihre Augen wieder misstrauisch zugekniffen hatte. In der Fabrik hätte man ihr ein solch unangebrachtes Verhalten sicherlich schnell ausgetrieben. Aber da Jason selbst keine Gewalt den Dienern gegenüber anwenden wollte, hatte er wohl kaum eine Wahl. Er musste einfach Geduld mit Kathleen haben. Er seufzte.
„ Na fein“, sagte er zu Cynthia. „Ich komme. Wir werden uns später weiter unterhalten, Kathleen.“
Damit drehte er Kathleen den Rücken zu und lief Cynthia hinterher. Seine erste Begegnung mit der neuen Dienerin war absolut nicht so verlaufen, wie er es eigentlich geplant hatte.
Hallo.
Kathleen drehte sich erstaunt um und sah wieder in die hübschen Augen des kleinen Mädchens, das sie vorher schon gesehen hatte. Das Kind wirkte so stumm wie immer, aber Kathleen war sich ganz sicher, dass sie etwas gehört hatte.
„ Hast du etwas gesagt?“, fragte Kathleen irritiert und auf dem Gesicht des Mädchens erschien sofort ein breites Lächeln.
„ Du hast es gehört?“, fragte Laney begeistert. Ihre Stimme war ziemlich hell und melodisch, klang jedoch auch verschreckt, so als müsste das Kind sich erst wieder an den Klang gewöhnen. Sie schien selbst überrascht sich reden zu hören.
„ Natürlich habe ich es gehört“, gab Kathleen verwirrt zurück. „Warum auch nicht?“
Weil ich es nicht laut gesagt habe , hörte Kathleen in ihrem Kopf, ohne dass sich die Lippen des Kindes bewegt hätten.
Erschrocken machte Kathleen einen Schritt zurück. Dieses Mädchen war ihr plötzlich ziemlich unheimlich geworden.
„ Alle haben gesagt, du sprichst nicht“, sagte Kathleen vorwurfsvoll, als wäre es ihr lieber, das würde der Wahrheit entsprechen.
Doch, das tue ich, widersprach Laney auf ihre stumme weise. Mich hört nur keiner .
„ Wie meinst du das?“, fragte Kathleen misstrauisch und starrte das Mädchen feindselig an.
Laney griff sie an den Kopf, um ihre Aussage zu veranschaulichen.
„ Ich kann den Anderen meine Gedanken in den Kopf eingeben“, sagte sie nun wieder laut, nicht ganz ohne Stolz. „Aber da sie nicht wissen, dass ich es bin, bemerken sie es oft nicht mal, sondern halten es für ihre eigenen Gedanken. Das ist ziemlich lustig.“
Laney lächelte und Kathleen zog irritiert die Augenbrauen zusammen. Vielleicht konnten ja viele von den Herren so eigenartige Dinge anstellen.
„ Aber du hast aufgehört mit den anderen normal zu sprechen“, stellte sie fest.
„ Ja.“
„ Warum?“
„ Weil mich sowieso niemand wirklich anhört.“
„ Aber du sprichst mit mir.“
„ Ja.“
„ Warum?“
„ Du hast mich gehört.“
Kathleen zögerte einen Augenblick, um über diese Aussage nachzudenken. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie ganz verstand, was Laney damit meinte, aber sie vermutete, dass es ein ziemlich großes Kompliment war, dass Laney sich ihr offenbarte.
„ Hast du eigentlich gar keinen Hunger?“, fragte Laney interessiert
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