Nubila 01: Das Erwachen
Problem.“
Kathleen sah verwirrt aus.
„ Was ist es dann?“
„ Larissa kann sich nicht mit einem Mann verbinden. Niemals. Sie wird nie diese komplette Verbundenheit von Körper und Seele zu spüren bekommen, die Kirsten erleben darf. Und zwar nur aufgrund ihrer Geburt.“
„ Das verstehe ich nicht“, gab Kathleen frustriert zu. „Warum kann sie sich nicht verbinden? Ich dachte jeder könnte das.“
„ Ja“, schnaubte Jason verächtlich. „Aber nur einmal.“
„ Das heißt… Sie ist schon verbunden“, kombinierte Kathleen. „Aber wo liegt denn dann das Problem.“
„ Sie ist verbunden“, bestätigte Jason nickend. „Sofort nach ihrer ersten Schlafphase ist sie verbunden worden. Aber nicht mit einem Mann. Sondern mit ihrer Mutter. Und solange ihre Mutter am Leben ist, wird es ihr nicht möglich sein, sich an einen Mann zu binden.“
Kathleen fühlte, wie ihr Mund vor Überraschung aufklappte und beeilte sich ihn wieder zu schließen. Was auch immer sie erwartet hatte, mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Mit einem Mal sah sie die Ältesten in einem völlig neuen Licht. Es kam ihr absolut egoistisch und selbstsüchtig vor, die eigene Tochter an sich zu binden und ihr damit die Möglichkeit einer erfüllten Beziehung mit einem Mann zu nehmen. Kathleen hätte gerne noch weiter gefragt, um die Hintergründe für dieses Verhalten herauszubekommen, aber sie sah Jason irgendwie an, dass er nicht das Bedürfnis hatte sich noch weiter mit ihr darüber zu unterhalten. Vielleicht bereute er es sogar schon, ihr überhaupt so viel erzählt zu haben.
„ Tja“, sagte Jason schließlich. „Ich denke, ich sollte jetzt doch wohl Laney aus ihrem Exil befreien. Sie hat sich mit Sicherheit zu Tode gelangweilt da unten.“
Kathleen nickte geistesabwesend und sah zu, wie Jason zur Treppe davon lief. Wie immer sah er unbeschreiblich gut aus. Seine athletische Figur wurde durch den altmodischen Frack wunderbar betont und die Augenringe, die seine Erschöpfung erahnen ließen, machten ihn älter. Reifer.
Wütend riss Kathleen sich von Jasons Anblick los und drehte sich wieder zu den anderen Dienern um. Es gab noch verdammt viel zu tun.
Kapitel 21
Die Force
Obwohl sich nichts wirklich änderte, hatte Kathleen das Gefühl dass ihr Leben langsam besser wurde. Jeden Tag schien sich ihre Welt ein wenig freundlicher zu gestalten und obwohl sie immer noch viel zu arbeiten hatte und Violette sie gleichbleibend unfreundlich behandelte, so freute sie sich jeden Tag wieder auf den Abend. Nachts, wenn die verletzende Sonne hinter den Bäumen verschwunden war und die Diener wieder aus ihrer Gruft entlassen wurden, musste Kathleen zwar immer noch ihren Pflichten nachkommen, aber sie sah auch die beiden Personen, die ihrem Leben einen höheren Sinn gaben. Laney, mit der sie immer wieder spazieren gehen und spielen durfte, und Jason.
Jasons Verhalten ihr gegenüber war wieder genauso wie zu Anfang. Er war autoritär, aber nachsichtig. Streng, aber irgendwie trotzdem fürsorglich. Er begleitete Kathleen oft bei ihren Spaziergängen durch die Wiesen und fragte sie dabei nach ihrem alten Leben. Alles an der Menschenwelt schien ihn zu interessieren.
„ Woher kommt es, dass die Anzahl der Weltbevölkerung dermaßen explodiert ist?“, fragte er einmal, als sie gerade wieder in der Nähe des Flusses saßen und Laney beim Spielen zusahen. „Die Menschen scheinen sich jedes Mal, wenn ich wieder aus einer Schlafphase erwacht bin, vollkommen verändert zu haben, während meine Rasse seit Jahrhunderten absolut unveränderlich erscheint. Woher kommt das?“
Kathleen dachte einen Augenblick über diese Frage nach. Alles aus ihrem menschlichen Leben erschien ihr immer noch ziemlich weit weg und verschwommen zu sein, aber das bezog sich vor allem auf die Gesichter der Menschen in ihrem Leben. Fakten, die sie vor langer Zeit verinnerlicht hatte, waren ihr erhalten geblieben. Daher kam es auch, dass sie nicht vergessen hatte, wie man spanisch sprach.
„ Ich denke, all diese Fragen sind mit der Tatsache zu begründen, dass die Menschen in einer Überflussgesellschaft leben“, sagte sie. „Dank der Maschinen, die sie erfunden haben, brauchen sie kaum noch für das reine Überleben zu schuften, sondern produzieren ununterbrochen weiter. Die Zeit, die ihnen das verschafft, nutzen sie, um neue Innovationen herbeizuführen und ihre Lebensumstände zu verbessern. Dadurch sichern sie das eigene Überleben
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