Nubila 05: Die letzte Schlacht
wirklich wollte. Ist dir das klar? Vielleicht hätte sie ja in Wirklichkeit gewollt, dass wir gemeinsam sterben. Vielleicht …“
„Sie hat mich gebeten, dich von ihr fort zu bringen“, widersprach Kathleen. „Sie wollte nicht, dass du mit ihr stirbst. Unter gar keinen Umständen.“
„Und was ist mit mir? Interessiert es denn niemanden, was ich will?“
Er schluchzte, und Kathleen konnte einfach nicht anders, als ihn loszulassen. Coal war ein einziges Wrack, und sie wusste einfach nicht, was sie tun oder sagen sollte, um ihn zu trösten.
„Du hattest nicht das Recht uns zu trennen, Kathleen!“, schrie Coal. „Das hättest du nicht tun dürfen. Niemand sollte so etwas überhaupt können. Es ist nicht richtig, verdammt noch mal.“
Kathleen schluckte. Vielleicht hatte er Recht. Sie wusste, dass Jason seinerzeit fast dieselben Worte verwendet hatte, um ihr ähnliches begreifbar zu machen, aber es aus Coals Mund zu hören war etwas ganz anderes.
Was hatte sie bisher mit ihrer Gabe bewirkt? Auf jeden Fall nichts Gutes. Gadha war fort gelaufen und hatte Alexander in tiefe Depressionen gestürzt. Ina hatte versucht sich umzubringen, Coal versuchte sich in einen Wilden zu verwandeln, und sie hatte sich selbst von dem Mann abgekapselt, den sie über alles liebte. Vielleicht hatten sie alle beide Recht. Vielleicht war ihre Gabe wirklich etwas, das nicht existieren sollte.
Tieftraurig erhob sie sich und wandte sich der Tür zu. Coal folgte ihr mit den Augen, rührte sich aber nicht vom Fleck. Kurz bevor Kathleen den Raum verließ, drehte sie sich noch einmal zu ihm um.
„Es tut mir leid, was ich getan habe, Coal“, sagte sie ehrlich. „Ich wollte dir diesen Schmerz nicht zumuten, aber denk bitte auch an Celia. Die Kleine hat vor zwei Tagen ihre Mutter verloren und ich wollte nicht, dass sie zur Vollwaise wird. Natürlich sollte es dir freistehen selbst zu entscheiden, ob du leben oder sterben willst. Aber wie du weißt, hat Cynthia immer dafür gekämpft, dass die Diener mehr Rechte bekommen. Wenn du mit deinem Tod also wirklich etwas erreichen willst, dann solltest du ihn nicht jetzt herbeiführen, sondern damit bis zur Schlacht warten. Stirb meinetwegen. Wenn du das wirklich willst, dann habe ich nicht das Recht dich zurückzuhalten. Aber bitte, tu uns allen einen Gefallen und stirb nicht sinnlos.“
Sprachlos starrte Coal sie an. Ganz offensichtlich hatte er mit einem solchen Rat nicht gerechnet. Als Kathleen sich herumdrehte, schien ihm erst bewusst zu werden, dass sie es ihm freistellte, das Blut doch noch zu trinken. Doch plötzlich wirkte er unentschieden.
„Warte“, sagte er. „Wo willst du denn jetzt hin?“
„Zu Hildis“, gab Kathleen entschlossen zurück. „Ich muss etwas tun, was ich schon viel eher hätte tun sollen.“
Kathleen brauchte nicht lange, um die eigenartige Frau zu finden, die Jason ihr vorgestellt hatte.
Sie war bei Johanna und einigen der anderen Outlaws, als Kathleen dazu stieß.
„Hildis“, begann sie zögerlich. „Dürfte ich mich kurz mit dir unterhalten?“
„Aber natürlich mein Kind“, gab diese zurück. „Immer gerne.“
Mit zusammengekniffenen Augen sah Johanna Kathleen an. Vermutlich konnte sie sich schwer vorstellen, warum jemand, der so schön war wie Kathleen mit Hildis sprechen wollte, sagte jedoch nichts.
Kathleen ging mit der Frau in eines der in Stein gehauenen Zimmer und begann dann nervös ihre Hände zu kneten. In Hildis Augen glimmte wieder die freudige Erwartung auf, und Kathleen bekam plötzlich große Zweifel, ob das Ganze wirklich eine gute Idee war.
„Ist … Ist bei den Outlaws alles in Ordnung?“, fragte sie schließlich, um das Schweigen zu brechen. „Ich weiß ja, dass es sehr eng hier unten ist, aber ihr müsst ja auch nicht mehr lange durchhalten. Morgen geht es schon wieder zurück an die Oberfläche.“
„Keine Sorge. Denen geht es wunderbar. Natürlich gibt es einige Beschwerden, aber die gibt es doch immer, wenn die Situation schwierig wird.“
Kathleen nickte. Sie wusste einfach nicht, wie sie anfangen sollte.
„Wenn du Fragen hast, dann frag ruhig“, versuchte Hildis sie zu ermuntern. „Ich habe in meinem Leben schon viel gesehen und gehört. Und ich weiß, wie schwer einem so ein Schritt fallen kann.“
„Wie … Wie alt bist du denn?“, fragte Kathleen überrascht.
Hildis wirkte wie eine Frau um die Vierzig. Wenn es aber stimmte, dass sie Jugend als Zahlungsmittel akzeptierte, so konnte diese
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