Nudeldicke Deern
funktioniert hat. Und wenn ich mir vorstelle, dass ich mich statt vor den Spiegel vor den Kühlschrank stellen würde, um ihn anzubrüllen, WIE TOLL DIESE EIER DA GERADE AUSSEHEN UND WIE UNGLAUBLICH PHANTASTISCH ES JETZT WÄRE , BRATKARTOFFELN MIT RÜHREI ZU MACHEN , obwohl ich weiß, dass ich dafür Kartoffeln schälen muss und Eier und Milch verquirlen und Zwiebeln schneiden und Kräuter, und überhaupt möchte ich viel lieber unter meiner warmen Bettdecke rumlungern, eine DVD -Box Serien gucken und warten, bis der Pizzabringdienst mein Essen liefert, dann, ja dann hätte ich auch keine Lust zu kochen. Aber. Dickes Aber:
Stell dir vor, du stehst in der Küche, dein iPod spielt deine Lieblingsmusik, dein Arbeitstag ist zu Ende, und der Rest des Abends gehört ganz allein dir. Jetzt schneidest du eine Zwiebel in feine Ringe und dünstest sie langsam in Butter glasig. Dazu wäschst du frische, junge, kleine Kartöffelchen – die musst du nicht mal schälen – und brätst sie langsam mit den Zwiebeln zusammen zu zartknusprigen, goldglänzenden Bratkartoffeln. Vielleicht singst du nebenbei zur Musik laut mit. Jetzt zerknackst du ein Bioei am Rand einer Schale, gibst einen Schwung sahnige Vollmilch dazu, verrührst das alles ein paarmal mit einer Gabel, ein bisschen Salz, ein bisschen Pfeffer, umrühren und dann genüsslich über die zischenden Bratkartoffeln rinnen lassen. Während das Ei stockt, hackst du schnell noch ein paar frische Kräuter, die auf deiner Fensterbank wachsen, vielleicht Schnittlauch – ich liebe Schnittlauch! –, Petersilie, Basilikum, Kerbel. Die grünen Stückchen ganz kurz in die Pfanne zu deinen Kartoffeln und dem Ei geben, schnell durchmischen, und dann nimmst du deinen Lieblingsteller aus dem Schrank, hebst das Festessen aus der Pfanne, suchst dir einen schönen Platz und probierst. Erst mal pusten, schließlich kommt das Zauberwerk gerade vom Feuer. Und dann genießen. Daran schnuppern, obwohl das eigentlich gar nicht nötig ist; gerade Zwiebeln und Bratkartoffeln haben die wunderbare Eigenschaft, eine ganze Wohnung zu beduften. Der große Moment: der erste Bissen. Weiche Kartoffeln, würzige Kräuter, lockeres Ei. Phantastisch. Die nächste Gabel und noch eine und noch eine. Den Teller ablecken, klar, guckt ja keiner zu. Und selbst wenn. Ist noch was da? Ich nehme noch ’nen Nachschlag. Und wenn die Pfanne leer und der Magen voll und der Gesichtsausdruck selig ist, dann versuch mir noch einmal zu erzählen, dass du für so was keine Zeit hast und lieber eine lauwarme Bringdienstpizza willst.
Selbst zubereitetes Essen schmeckt in den allermeisten Fällen besser als gekauftes. Außer wenn du in richtig guten Restaurants sitzt, klar. Aber nochmal: Etwas, das du dir selbst kochst, wird dir wirklich besser schmecken als der Kram, den dir der Bringdienst in Pappschachteln vorbeischickt. Diese seltsame Eigenschaft hat sogar einen Namen: der Ikea-Effekt [10] . Studien haben gezeigt, dass uns Dinge besser gefallen, die wir selbst produziert haben. Deswegen sind wir auch so stolz auf unser schiefes Bücherregal, weil wir wissen, dass wir zwei Stunden unseres Lebens damit verbracht haben, die Bauanleitung zu verstehen und das Ding aufzubauen. Ganz im Gegensatz zu dem Regal, das wir in einem anderen Möbelhaus gekauft und das uns freundliche Handwerker oder Handwerkerinnen geliefert haben. Das steht jetzt rum und hat bloß Geld gekostet, während wir das andere quasi mit unseren eigenen Händen, Schweiß und Fluchen erschaffen haben. Dieser Ikea-Effekt gilt auch für Essen: Dafür habe ich gearbeitet, also ist es mir etwas wert. Jedenfalls mehr als die Bringdienstschachtel.
Es gibt sogar die Theorie, dass unsere Gesellschaft deshalb immer dicker wird, weil wir unser Essen nicht mehr würdigen und es gedankenlos in uns hineinwerfen, weswegen wir immer mehr essen, als wir eigentlich müssten. [11] Wir können Fertigkram kaufen, ihn in der Mikrowelle erhitzen und gleich aus der Plastikschale essen, anstatt uns Gedanken über Zutaten zu machen, die Art der Zubereitung und darüber, wo doch gleich unser Lieblingsteller steht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich weniger esse, wenn ich für Gäste koche, als wenn ich bekocht werde. Das Kochen alleine, das Probieren, Riechen, Kosten, macht mich schon im Vorfeld satt, und wenn ich das Essen auf den Tisch stelle, bin ich meist mit weniger zufrieden, als wenn jemand anders mir etwas vorsetzt.
Noch einmal zurück zu der Zeit, die
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