Nudeldicke Deern
Haus» oder ähnliche Formate gerne sehe, habe ich noch nie den dringenden Wunsch verspürt, in meiner Wohnung Wände rauszukloppen oder meinem imaginären Nachwuchs Betten in Form von Rennautos laubzusägen. Derartige Shows sind für mich genau das: Shows, keine Lebenshilfe. Ich sehe Vincent Klink und Cornelia Poletto gerne bei der Arbeit zu, aber das war’s dann auch: Das soll ruhig deren Arbeit bleiben und nicht meine werden.
Jedenfalls war das früher so. Inzwischen ist aber das gewaltige persönliche Interesse da, und ich bin auf der Suche nach Rezepten. Die meisten Kochshows haben eine Webseite, auf der man die Zutatenliste findet sowie eine Anleitung zum Nachkochen. Und wenn man in der Sendung schon gesehen hat, wie schnell oder einfach ein Gericht geht, ist das Nachkochen wirklich ein Klacks.
Bei uns auf dem Balkon steht eine Satellitenschüssel, mit der wir englische Sender empfangen können. Eine meiner liebsten Kochsendungen ist «Masterchef» bei der BBC , wo lauter Hobbyköche und -köchinnen gegeneinander antreten, um zum Schluss ein Restaurant zu bekommen. Dort gibt es keine Rezepte, aber man kann sich prima Anrichteweisen abgucken – oder feststellen, dass der Engländer an sich sein Kartoffelpüree eher breiig bevorzugt anstatt (wie ich) grobstückig. Aus der Sendung habe ich zum Beispiel ein Dessert: Zitronensorbet mit Gin-Tonic-Würfelchen. Also gelierter Gin Tonic, in kleine Würfel geschnitten. Ich habe einen äußerst entspannten Nachmittag in der Küche verbracht, an dem ich verschiedene Gin- und Tonic-Konzentrationen abgeschmeckt und gelieren lassen habe. Dass ich dauernd probieren musste, liegt in der Natur der Sache. Dass ich, wie gesagt, äußerst entspannt war, auch.
Wenn du deine Freunde belagert, das halbe Internet gebookmarkt und vom Fernsehen quadratische Augen bekommen hast, bleiben natürlich immer noch die guten alten Kochbücher. Die gibt es übrigens schon ziemlich lange. Bereits in der Antike wurden Rezepte aufgeschrieben, aber das war grundsätzlich die Küche der Oberschicht. Erst als genügend Menschen lesen und schreiben konnten, wurden auch bürgerliche Rezepte erfasst. In England erschien um 1740 «The Experienced English Housekeeper» von Elizabeth Moxon [40] , und in Deutschland wurde 1845 das «praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche» von Henriette Davidis ein beliebtes Werk, das noch heute in vielen Familien vorhanden ist. Gunther Hirschfelder schreibt in «Europäische Esskultur»: «Das Aufkommen der neuen Kochkultur führte darüber hinaus dazu, dass der Einfluss der mündlichen Überlieferung auf die Nahrungskultur allmählich nachließ. Das beeinflusste nicht zuletzt das Verhältnis zwischen den Generationen, denn die junge Bürgerin entnahm wesentliche Teile der Ausbildung zur perfekten Hausfrau nicht mehr den Kulturmustern der älteren Generationen, sondern der neuesten Mode.» [41] Dass wir also automatisch von unseren Eltern kulinarisches Wissen mitbekommen, ist bereits seit über 100 Jahren mehrheitlich eine Illusion. Was ja erst einmal nichts Schlechtes sein muss, denn nicht jede Mutter versteht sich auf Molekularküche, und nicht jeder Vater weiß, wie man eine Croquembouche herstellt.
Aber für beides und noch viel mehr gibt es Dutzende, wahrscheinlich Hunderte von Kochbüchern, in denen wir die jeweiligen Rezepte finden. Auch hier nutze ich wieder das allwissende Internet, um Lesetipps zu bekommen. Im Buchhandel stehe ich manchmal etwas hilflos vor der schieren Masse an Büchern, die mir alle zurufen: Kauf mich, ich hab die tollsten Rezepte! Inzwischen weiß ich aber: Selbst wenn das Buch mundwässernd lecker aussieht, heißt das noch lange nicht, dass mir das Zubereitete schmecken muss. Deswegen verlasse ich mich auch hier auf meine immer länger werdende Liste von Kochbloggern und Kochbloggerinnen. Wenn du anfängst, Rezepte von diesen fremden Menschen nachzukochen und sie dir schmecken, kannst du darauf vertrauen, dass dir auch die weiteren Gerichte wahrscheinlich gefallen werden. Viele Blogger und Bloggerinnen kochen nicht nur, sondern rezensieren auch Kochbücher – und wenn du weißt, dass jemand auf deiner Linie liegt, kannst du auch seinem oder ihrem Kochbuchgeschmack vertrauen.
Eine weitere Quelle für neue Rezepte ist Flickr.com, eine Webseite, auf der man Fotos hochladen kann. Das beschränkt sich nicht auf Essen, ganz im Gegenteil. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du auf Flickr zu jedem Stichwort, das
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