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Nuerburghoelle

Nuerburghoelle

Titel: Nuerburghoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Hans-Joachim als langsam bezeichnete, führte bei Böhnke zu der angstvollen Vorstellung, was dann erst schnell sein sollte. Ihm kam dieses Tempo schon so vor, wie es der Strecke angemessen schien, nämlich höllisch. Sein nervöser Blick auf das angedeutete Armaturenbrett mit der Suche nach einer Tachonadel ging ins Leere.
    »Wir haben keinen Geschwindigkeitsanzeiger, ich brauche nur einen Drehzahlmesser«, erklärte ihm Hans-Joachim. »Sie bekommen sofort ein Gefühl dafür, wie schnell Sie fahren können und wie schnell Sie fahren dürfen, ohne Ihrem Wagen zu schaden.« Er lachte vergnügt auf. »Sie merken spätestens dann, dass Sie zu schnell gefahren sind, wenn Sie sich im Graben wiederfinden. Aber besser Graben als Grab, ehrlich gesagt.« Er drehte den Kopf kurz zur Seite. »Das ist übrigens die Stelle, an der Niki Lauda abgefackelt wurde und beinahe im Grab gelandet wäre.«
    Ehe Böhnke reagieren konnte, waren sie schon vorbeigerauscht.
    Hatzenbach, Flugplatz, Schwedenkreuz, Adenauer Forst, Wehrseifen, Breidscheid. Kesselchen, Klostertal, Hohe Acht, Wippermann, Karussell, Schwalbenschwanz, Brünnchen, Pflanzgarten, Döttinger Höhe, Antoniusbuche, Tiergarten. Böhnke konnte sich nicht alle Namen merken, die ihm sein Fahrer während der Fahrt zurief. Er behielt nur einige. Hans-Joachim warf mit den Namen nur so um sich, und Böhnke verstand nur, dass sie verschiedene Streckenabschnitte bezeichneten. Bergauf, bergab, durch Wälder und begleitet von Wiesen, weit geschwungenen Kurven, dann fast wieder ein Knick, hinauf auf Kuppen, hinter denen etwas kam, von dem Böhnke nichts wusste, dann eine Kurve, die überging in eine weitere, um dann in der Abfahrt mit einem Schwenk wieder zu einer Bergfahrt zu werden.
    War das wie in einer Achterbahn? Böhnke war nie mit einer solchen gefahren, aber das hier, das musste mehr sein als das. Die Fahrt war einfach nur höllisch schnell, die Landschaft höllisch grün, der ständige Wechsel zwischen Vollbremsung und Vollgas atemberaubend. »Offiziell soll der Ring 73 Kurven haben«, sagte der Fahrer, »es könnten aber auch i00 sein.« Böhnke hätte 1.000 geschätzt.
    Schneller, als der Kommissar gedacht hatte, waren sie wieder auf dem kleinen, Formel-1 -tauglichen Ring, was er daran erkannte, dass links am Streckenrand das markante Dorint auftauchte.
    »Ehrlich gesagt empfinde ich unser Tempo als etwas langsam«, meinte Hans-Joachim.
    Vorsorglich klammerte sich Böhnke an dem Haltegriff fest, den er endlich über der Beifahrertür in die Finger bekommen hatte.
    »Hatten Sie schon einmal einen Unfall?«, fragte er voller Sorge. Seine Hoffnung, durch seine Frage Hans-Joachim zu einer mäßigeren Geschwindigkeit zu bewegen, erfüllte sich nicht.
    »Mehrere«, erwiderte der Mann ungerührt. »Aber es ist noch immer gut gegangen.« Er klopfte sich mit der Faust gegen den Kopf. »Ehrlich gesagt war es ein paarmal verdammt haarig. Und als ich im letzten Jahr, übrigens unverschuldet, im Korkenzieher von Laguna Seca von der Piste geschossen wurde und mir dabei etliche Knochen und Wirbel gebrochen habe, war es für mich höchste Zeit, meine aktive Karriere im Motorsport zu beenden. Sie wissen ja, den letzten, den tödlichen Unfall sollte man vermeiden.« Er sprach in einer ruhigen und sachlichen Art, die keineswegs zu dem rasanten und nervenaufreibenden Fahrstil passte, mit dem er über den Nürburgring bretterte.
    »Sie waren erfolgreich?«
    »Ich glaube schon«, meinte Hans-Joachim ziemlich bescheiden. »Ehrlich gesagt, ich glaube, ich habe weit über 100 Rennen während meiner Laufbahn gewonnen. Ich habe sie nicht gezählt und keine Statistik geführt. Vielleicht waren es auch über 200. Na ja, immerhin war ich mehr als drei, fast vier Jahrzehnte auf Tourenwagen und auch in Formel-i-Kisten unterwegs.«
    Böhnke hörte mit wachsendem Interesse zu, schaute aber auch auf die abwechslungsreiche Strecke in der fast immergrünen Verpackung. Er hatte sich allmählich an die Geschwindigkeit gewöhnt und fand Gefallen daran, wie sein Fahrer den Wagen durch die Kurven schwingen ließ und auf den Geraden beschleunigte, um nur Sekunden später wegen einer quasi aus dem Nichts auftauchenden Kurve abrupt abzubremsen.
    »Macht doch Spaß, oder?«
    Böhnke sah keinen Grund zu widersprechen. Mit Hans-Joachim am Steuer auf dem Nürburgring fühlte er sich sicherer als mit seiner Liebsten im zähflüssigen, hektischen Stadtverkehr in Aachen. Aber das würde er ihr selbstverständlich nicht

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