Nuerburghoelle
sagen.
»Machen Sie unseren Asphalttanz bloß nicht mit Ihrem Privatwagen nach«, fuhr Hans-Joachim mahnend fort. »Der überlebt keine Runde, ehrlich gesagt. Ihr Tanz würde, wenn Sie Pech haben, tödlich enden.«
Überleben war das Stichwort für Böhnke. »Kennen Sie die Theberaths?« Für einen von ihnen hatte der Asphalttanz auf dem Nürburgring ein tödliches Ende gehabt.
Auf der Stelle schwand die lausbubenhafte Freude aus Hans-Joachims Gesicht. »Bert war für mich so etwas wie ein Freund. Er hätte fast mein Sohn sein können, na ja, ist etwas übertrieben, aber es hätte so sein können.«
»Und jetzt ist er tot. Rennfahrerschicksal?«
»Kann man so sehen, Herr … Wenns ein Unfall war, dann war es Rennfahrerschicksal. Sie wissen schon, der letzte Unfall.«
Böhnke wurde hellhörig. »Wars denn etwa kein Unfall?«
Er erschrak sich, als Hans-Joachim den Sportwagen jäh mit blockierenden Reifen abbremste und auf freier Strecke am Rand anhielt.
»Hier ist die Stelle, an der Bert sterben musste.« Hans-Joachim stieg aus.
»Kommen Sie!«, beschied er knapp.
Böhnke folgte ihm neugierig. Außerhalb des Wagens sah die Landschaft noch schöner und idyllischer aus als hinter der Heckscheibe. Er blickte über welliges Gelände mit saftigen Wiesen auf einem dichten Wald, der sich bergauf bis zum Himmel erstreckte. Auf den Wiesen sorgten bunte Büsche für Farbtupfer. Hinzu kam die Ruhe; eine Ruhe, der er bislang nur in Huppenbroich verspürt hatte. Lediglich die Blätter einiger Buchen jenseits einer Leitplanke rauschten sanft im Wind. Hier störten keine unnatürlichen Geräusche. »Es ist schon ungewöhnlich still«, meinte er und schaute auf die Strecke, die in einer breiten Schneise durch die Natur verlief.
»Bis auf die Rennwagen, die würden Sie stören. Bei Rennen verstehen Sie Ihr eigenes Wort nicht mehr. Dann ist es mit der himmlischen Ruhe vorbei.«
Jenseits der anderen Straßenseite hinter einer breiten Auslaufzone, einer Leitplanke und einem stabilen Drahtzaun erblickte Böhnke einen grünen Hügel.
»Hier ist die Stelle, an der Bert verbrannt ist.« Hans-Joachim schluckte schwer. Er deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Wir fahren hier aus dem Walde den Berg hinunter in der leicht abfallenden Linkskurve, um dahinten wieder hinter der Kuppe im Wald zu verschwinden.« Er hatte sich umgedreht, und zeigt in die Fahrtrichtung.
»Und ausgerechnet hier hatte Bert den Reifenplatzer. Einen ungünstigeren Platz hätte er sich nicht aussuchen können. Warum nicht im Wald vorher oder nachher? Nein, er hat ihn ausgerechnet hier vor allen Leuten.« Hans-Joachim schüttelte ungläubig den Kopf. »Erinnern Sie sich noch an die Stelle, an der Niki Lauda verunglückt ist? Das war weitab von jeglichen Zuschauern.«
Was wollte Hans-Joachim damit andeuten?
Den verständnislosen Blick deutete der Mann richtig. »Wenn es tatsächlich Schüsse gegeben haben sollte, wie ich immer wieder hinter vorgehaltener Hand gehört habe, und nicht Auspuffexplosionen, war das hier eine der Stellen, an der jemand fast unbemerkt schießen konnte. Nur dann ist das im Verlaufe des Rings möglich. Hier bleiben Sie unerkannt, weil Sie in der Masse der Leute untergehen.« Er zeigte auf den Hügel. »Jetzt sieht es hier leer aus. Beim 24-Stunden-Rennen haben Sie hier eine Menschenwand; Wohnwagen und Wohnmobile zuhauf und eine Stimmung wie auf einem Rummelplatz. Auf den zuschauerfreien Streckenteilen kämen Sie gar nicht dazu, unbemerkt mit einem Gewehr auf einen Rennwagen zu schießen, weil Sie entweder gar keinen Platz finden oder weil Sie sich immer im Bereich irgendeiner Kontrollkamera aufhalten. Hier können Sie untertauchen, vor allem, wenn nach einen vermeintlichen Rennunfall auf der Strecke und unter den Fans das Chaos ausbricht.« Hans-Joachim hatte sich in Rage geredet und wiederholte sich: »Wenn also ein Anschlag die Unfallursache sein könnte, dann hätte er nur hier verübt werden können. Aber ob es so war?« Er hob resignierend die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich habe da meine Zweifel, obwohl angeblich die Polizei meines Wissens nach das Gelände intensiv abgesucht hat und überhaupt nichts Auffälliges gefunden hat.«
Der ehemalige Rennfahrer ging zum Wagen. Böhnke folgte ihm. Schweigend fuhren sie zur Erlebnis-Welt zurück.
19.
Auf der Rückfahrt nach Huppenbroich textete ihn Lieselotte mit Informationen zu, die er gar nicht hören wollte. Aber das merkte sie nicht. Begeistert berichtete sie
Weitere Kostenlose Bücher