Nuhr, Dieter
dieser Schwüle oder an dieser trockenen Hitze, oder
einfach an dieser lauen Wärme, an der Sonne oder den Wolken oder auch gerne am
für die Jahreszeit zu kalten Wetter. Das macht krank, zack, schon liegt man da,
und dann ist der Sommer wieder vorbei und man hat ihn gar nicht mitbekommen!
Wenn aber der Sommer doch mal einen Tag lang genau richtig
ist, dann kaufen alle Leute Ventilatoren, setzen sich in die Zugluft und können
sich drei Tage lang nicht mehr bewegen. Wer es sich nicht leisten kann, geht
bauchfrei und in kurzen Hosen, Männer ab 20 Kilogramm Übergewicht gerne auch
ganz ohne T-Shirt. 2-Zentner-Frauen präsentieren stolz die über den Winter hart
erarbeitete Cellulitis. In den Geschäften laufen die Klimaanlagen auf 12 Grad
Celsius, damit die Kunden die schon eingetroffene Herbstware auch kaufen.
Danach geht man wieder hinaus, hat eine Lungenentzündung und - wenn man Pech
hat - liegt man schon vor dem nächsten Tiefdruckgebiet unter der Erde und
denkt: »Mensch, der Sommer war ja wieder tödlich. Hoffentlich kommt bald der
Herbst.«
Erwachsene als moralische
Vorbilder 9. August 2001
Sind sie auch der Meinung, dass die Jugend keine Moral
mehr kennt, keinen Idealismus? Wir waren da doch noch anders. Bei uns an der
Schule gab es den KBW, da wurde auf der Schülervollversammlung die Zerschlagung
der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gefordert. Und die Gründung einer
kommunistischen Weltgemeinschaft unter Führung unseres Schülersprechers Rudi
Schmittke, der übrigens heute an der Gesamtschule Pädagogik und
Gemeinschaftskunde unterrichtet. Der sagt auch immer: »Die Jugend protestiert
gar nicht mehr.« Klar - die wollen nicht enden wie er, als Lachnummer im
braunen Cordanzug.
Wogegen sollen die auch protestieren? Sie dürfen ja alles.
Heute können sie sich mit grün-blau gestreiften Haaren auf einer Verkehrsinsel
ausziehen, und der Einzige, der anhält, fragt nach dem Weg.
Was sollen denn jugendliche Protestwähler heute wählen?
Und vor allem wann? Das sind doch unmenschliche Zeiten. Wenn die Wahllokale
aufmachen, kommt der Erstwähler gerade von der Party nach Hause und ist mit
Drogen so vollgepumpt, dass er sich gleich wieder hinlegt. Und wenn er wieder
aufwacht, steht schon Uli Deppendorf mit der ersten Hochrechnung in der Hand
da. Und der Jugendliche sagt: »Was? War Wahl? Mir hat wieder keiner was gesagt.
Scheißstaat.« Und das ist ja auch Protest. Immerhin.
Magnetfeld 10. August 2001
Wenn Sie nicht wissen, was Sie glauben sollen, machen Sie
sich keine Sorgen. Ich weiß es auch nicht. Man kann ja gar nichts mehr glauben.
Jeder erzählt was anderes. Jetzt hat mir einer erzählt, dass sich das
Magnetfeld der Erde auflöst. In den letzten 1000 Jahren hat es sich um ein
Drittel vermindert, und in 2000 Jahren ist es weg, das Magnetfeld. Da hat man
grade einen Kompass gekauft, und kaum 2000 Jahre später zeigt der nix mehr an
für sein Geld. Dann gehen Sie zu dem Verkäufer zurück und sagen: »Hier das Ding
zeigt nichts an«, und der antwortet: »Was soll ich denn da machen, wenn das
Magnetfeld weg ist?« Das ist unsere Dienstleistungswüste: Kein Service, und
in 2000 Jahren nicht mal mehr ein Magnetfeld.
Das polt sich um und liegt dann andersrum; das kommt in
der Erdgeschichte häufiger vor - manchmal ganz oft, manchmal 35 Millionen
Jahre gar nicht. Da sitzt man dann mit seinem Kompass, er zeigt nach Süden,
und es dauert 35 Millionen Jahre, bis er wieder richtig geht. Das ärgert einen
dann schon ...
Allerdings ist ja so viel Strahlung um uns herum, da ist
es kein Wunder, wenn der Kompass die Arbeit verweigert. Diese Handymasten
strahlen derartig, die sollen ja angeblich sogar Ohrenkrebs erzeugen.
Heutzutage kann man nichts mehr auf den Markt bringen, ohne dass einer schreit:
»Das macht Krebs!« Es gibt zwar keinen Beleg dafür, im Gegenteil, aber das hat
der Papst früher auch nicht gebraucht, wenn er eine Hexe verbrennen ließ. Der
Papst sagte dann: »Das merkt man doch, ob was vom Teufel stammt oder nicht.«
Alles macht Krebs. Wahrscheinlich macht sogar das Magnetfeld
Krebs. Oder es macht Krebs, wenn es weg ist. Aber schlecht ist es auf jeden
Fall.
Ich persönlich kriege ja schon vom Handyklingeln Krebs,
weil es mich so aufregt, dass die nicht mehr einfach klingeln, sondern gleich
ganze Symphonien absondern. Man kann in 4000 Meter Höhe auf einem Berggipfel
stehen und das Einzige, was man hört, ist ein anderer Bergsteiger, dem der
Yankee-Doodle aus dem Handy quillt. Der
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