Nuhr, Dieter
sehr tierlieb.
Vegetarierin. Aber sie wird empfindlich, wenn Tiere mehr als vier Beine haben
... Ab sechs oder acht wird sie hysterisch: »Da ist eine Spinne!!!! ...« »Ja,
und? Die frisst die Läuse und Mücken weg.« »Läuse und Mücken??? ...« »Ja,
Schatz, dies ist die Erde. Das ist die Artenvielfalt.« Wobei ich zugebe, dass
meine Wohnung eine Art Galapagosinsel für Ungeziefer war.
Das habe ich ihr erst mal erklären müssen: Wenn bei mir in
der Bude richtig saubergemacht würde, würde das Millionen Tiere das Leben
kosten. Das hat sie aber überhaupt nicht interessiert! Sie hatte natürlich
schon diesen Ausschlag, eine allergische Reaktion, rot und schorfig, und vor
allem um die Augen sah das richtig übel aus.
Aber: Das kommt davon. Sie ist einfach nichts gewöhnt.
Ihre Mutter hat früher alles desinfiziert. Die haben schon morgens zum
Frühstück ein Tässchen Sagrotan getrunken. Und wenn sie heute einer Milbe
gegenübersteht, sagt die Milbe: »Du hast Millionen meiner Freunde und
Verwandten getötet, diese Stadt ist zu klein für uns beide.« Milben vergessen
bekanntlich nie.
Zu mir sagen die Milben fröhlich »Guten Tag«! Bei mir ist
immer gute Laune, da wird nicht ständig gewischt und gesaugt. Und wenn die
Brotkrümel den gesamten Boden übersät haben, wird zusammengekehrt und den
Vögelchen ein Festmahl bereitet. Und wenn ich mal sterbe, dann werden mich die
Würmer fressen und sagen: »Lecker. Der Mann hat immer gut für uns gesorgt. Er
war eine gute Drecksau.« Was will man mehr?
Geschenke 29. Mai 2001
Meine Mutter hat Geburtstag. Was macht man da? Das ist
schwer. Warum kann ich nicht einfach sagen: »Mutter. Ich schenke dir meine
ganze Liebe und Zuneigung und diesen Blankoscheck. Kauf dir irgendwas, aber
lass mich da raus!«? Ich gebe zu, dass das nicht besonders stilvoll wäre. Aber
es würde unglaublich viele Nerven sparen. Und meine Mutter will doch auch
nicht, dass ich irgendwann einen Herzinfarkt kriege, bloß weil ständig
irgendjemand Geburtstag hat und ich wieder völlig verzweifelt vor mich hin
grübele ...
Es ist schrecklich. Vielleicht etwas Lustiges? Eine
Plastikblume, die zur Musik wackelt? Kennen Sie die? Das ist eine Erfindung
des christlichen Abendlandes. Plastikblumen, die tanzen können, so etwas kennt
der Islam gar nicht - oder der Buddhismus. Das gibt's nur bei uns. Da fragt man
sich schon, ob nicht Karl Martell im Jahr 732 gegen die Araber besser verloren
hätte.
Auch ein schönes Geschenk sind Taschenbücher, denn mit
einem Taschenbuch sagt der Schenkende gleich zwei Dinge auf einmal. Erstens:
»Ich hatte keinen Bock, über das Geschenk nachzudenken.« Zweitens: »Es sollte
billig sein.« Und das ist gut, denn in einer wirklichen Freundschaft spielt
Geld keine Rolle.
Deshalb verschenke ich auch gerne Gutscheine. Meine Eltern
haben noch einen Gutschein von mir aus dem Jahr 1972. Und jedes Mal, wenn ich
ihnen wieder einen Gutschein schenke, holen sie die alten Dinger raus und
fragen: »Wann löst du die mal ein?« Ich finde das entnervend. Wofür verschenkt
man etwas? Damit man es los ist! Da möchte ich nicht immer noch behelligt
werden.
Ich habe mal ein altes Auto verschenkt, für das ich locker
noch 200 Mark bekommen hätte. Allerdings hätte ich jemanden finden müssen, der
es nimmt, und die Entsorgung hätte 300 Mark gekostet. Es fuhr auch nicht mehr,
und da habe ich es einem Freund von mir geschenkt. Der hat drei Minuten an der
Elektronik gefummelt, das Ding durch den TÜV gebracht und ist dann noch zwei
Jahre damit gefahren. Habe ich mich geärgert! Nach den zwei Jahren hat er mir
das Ding wieder vor die Tür gestellt und dazu gesagt: »Happy Birthday, Dieter,
für dich!« Danke. Drecksack!
Formel 1 3. Juli 2001
Ich bin ein großer Fan der Formel 1. Weil sich in der
Formel 1 die Seinsbeschaffenheit des Menschen seiner Verborgenheit entzieht,
wenn Sie wissen, was ich meine. Denn im Leben ist es wie beim Autorennen: Der
Mensch rast dahin, überall sind Schikanen, und am Ende, grade wenn man meint,
man hat das Ziel erreicht, merkt man plötzlich, dass man wieder genau da ist,
wo man losgefahren ist.
Deswegen fahren da nur Männer mit. Wenn Frauen fahren,
wollen die irgendwohin - meistens in ein Schuhgeschäft. Aber wenn Männer das
Auto starten, dann geht es erst mal um abstrakte Werte, um die beeindruckende
Qualität des Motors, um Energieverbrennung, die keinem Zweck folgt außer der
Freude an der Kraft. Das ist der Moment, wo sich der Gorilla im
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