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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
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spricht dann: »Hallo, ich bin gerade
aufm Berg«, denn man sagt ja immer zuerst, wo man sich befindet.
    Wenn man es weiß! Das ist ja nicht gesagt. Wenn erst mal
das Magnetfeld weg ist und der Kompass nichts mehr anzeigt und der Wanderer
keine Ahnung mehr hat, wo er ist, dann kann er auch nicht mehr seinen Standort
ins Handy tuten. Und da freue ich mich schon drauf. Nur noch 2000 Jahre Geduld,
dann ist es so weit.
     
    Laufen 6. September 2001
    Ich habe beschlossen, Sport zu treiben, und bin jetzt
schon ein paar Mal laufen gewesen. Beim ersten Mal noch mit dem Auto, aber dann
richtig: zu Fuß!
    Natürlich mit einem Pulsmesser, auf der Basis neuester wissenschaftlicher
Erkenntnisse. Da kann man nicht einfach loslaufen: Ich musste erst mal meinen
HRmax-P-Wert kontrollieren, also mein Heart-Rate-Maximum. Der war gar nicht so
übel, vor allem, wenn man bedenkt, dass ich 40 bin und andere in meinem Alter
sich bereits in der koronaren Rehabilitation befinden.
    Außerdem habe ich in letzter Zeit die Körperertüchtigung
ein bisschen vernachlässigt. Ich bin eigentlich Weltmeister im Kampfsitzen; das
liegt bei uns in der Familie. Mein Vater war Beamter, und der kann sitzen! Also
dem sitzt keiner was vor. Jetzt ist er in Pension, da liegt er mehr. Das Liegen
ist ja praktisch die Perfektion des Sitzens.
    Im Dienst damals ging das nicht, weil wohl kein Geld für
Liegen da war. Jedenfalls saß er da, Tag um Tag, aber leider nicht im Bauamt -
sonst würde ich vielleicht sogar mal etwas erben, weil man da auch Sportarten
betreibt, in denen es richtig was zu gewinnen gibt wie zum Beispiel
Handaufhalten, aber das nur nebenbei...
    Bei mir ist das Sitzen vorbei, jetzt wird gelaufen.
Natürlich mit Herzfrequenzmonitor mit PC-Interface, der in den muskulär-stoffwechseltechnischen
Verbrennungsprozess Transparenz bringt. Es ist wichtig, immer in der korrekten
Herzfrequenzzielzone zu bleiben. Das muss streng überprüft werden, weshalb man
nach dem Datentransfer sorgfältig die Herzfrequenzkurvenbasisgrafik analysieren
sollte. Das ist eine Kurve mit vielen Zacken, und sie zeigt an: »Ja! Das Herz
hat geschlagen!« Also beim Laufen war ich noch am Leben. Ich gebe zu, dass ich
da zwischendurch nicht immer sicher war ...
    Meine Pulsuhr zeigte einen Herzschlag von 160 in der Minute
an, was sich anfühlte, als hätte ich eine Nähmaschine verschluckt. Ich wusste
gar nicht, dass man so etwas überleben kann. Aber es geht. Weil der Körper ein
Wunder ist. Was der alles verbrennt: Kohlenhydrate, verschiedene körpereigene
Zuckersorten. Körpereigen! Wohlbemerkt. Das sollte man nicht falsch verstehen:
Nicht während des Trainings Trauben-Nuss-Schokolade einführen, das ist nicht
gut, weder oral, noch rektal! ... Der Körper brennt seine eigene Energie weg.
Die wird einfach bei 36,8 Grad weggekokelt! Im Grunde ist der Körper bloß eine
Art komplizierter Kamin. Deshalb rauchen wohl auch nach dem Laufen immer die
Füße ... Ich setz mich jetzt erst mal, so für etwa zwei Wochen. Dann sind auch
die Blasen weg.
     
    Rituale 16.
September 2001
    Grade habe ich in einer psychologischen Fachzeitschrift -
ich glaube, es war »Frau mit Herz« oder »Frau im Bild« oder »Frau am Stiel«,
ich weiß es nicht mehr genau - jedenfalls habe ich da gelesen, dass unser
gesamtes Handeln strengen Ritualen unterliegt, also dass wir praktisch mit
Ritualen unser Leben ordnen.
    Nun denkt man ja bei Ritualen normalerweise an Afrikaner,
die im Kreis um einen Kessel mit einem dicken Missionar tanzen. Aber das
meinten die gar nicht - so etwas kommt bei uns ja gar nicht mehr vor; außer im
Sauerland ab und zu, aber das sind Ausnahmen.
    Nein, was die mit Ritualen meinten, war, dass wir das Wiederkehrende
lieben, weil es uns Sicherheit gibt. Das stimmt auch. Wenn ich zum Beispiel zu
meinen Eltern nach Hause komme, ist alles wie früher - das sind Rituale. Ich
sitze am Küchentisch und Mutter fragt: »Wüst du noch was essen?« Ich antworte:
»Nein.« Und sie haut mir noch einen Schlag drauf. Das ist schön.
    Da weiß man: Hier bin ich daheim. Oder: Wir setzen uns mit
Gästen auf die Terrasse, und die Sonne scheint. Das kommt ja nicht so oft vor,
aber wenn, dann fängt unser Nachbar sofort an, mit seinem Motormäher den Rasen
zu mähen. Der fängt genau an, wenn wir den Kaffee einschütten, und das ist ein
Ritual. Man könnte es auch als geplanten Terror interpretieren, aber für mich
ist es Heimat.
    Wenn ich bei Spaghetti Bolognese fünf Handtücher über
meinen Oberkörper

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