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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
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einredet,
er könnte denken. Das ist Selbstbetrug.
    Frauen haben beim Selbstbetrug andere Strategien und sagen
sich: »Er will immer bloß Sex. Seit Wochen fragt er immer nur nach Sex. O.K.,
wir haben in diesen Wochen auch keinen Sex gehabt, aber wir hätten vielleicht
Sex gehabt, wenn er nicht immer gefragt hätte. Und er fragt seit Jahren. Da ist
es doch klar, dass wir jahrelang keinen Sex haben. Das ist doch seine Schuld,
wenn er immer fragt. Was soll das mit meinen Hormonen zu tun haben ...?«
    Frauen sind eben anders drauf. Sie wollen nicht möglichst
viele begatten. Frauen entwickeln nur wenige Eier und möchten einen gesunden,
intelligenten und verlässlichen Lebenspartner finden. Also einen Mann, wie er
von der Evolution gar nicht vorgesehen ist. Das muss Ärger geben.
    Da fragt man sich, warum Ehen früher überhaupt lange
gehalten haben - oft mehrere Monate! Weil man früher mehr ausgehalten hat. Man
sagte sich: »Ich habe den Krieg überlebt, da überlebe ich auch die Erika.« Man
lebte mehr für die Zukunft. Das Leben als Witwer oder Witwe war die letzte bürgerliche
Utopie. Man sagte: »Bis dass der Tod Euch scheide« ... und dachte: »Aber
dalli!«
    Heute weiß man: Das Glück ist wechselhaft, und wenn ich
nicht mehr glücklich verheiratet bin, dann wenigstens glücklich geschieden.
Das Geheimnis einer langen Ehe ist, Unglück demütig zu ertragen. Wer das nicht
will, macht heute alleine weiter. Gott sei Dank!
     
    Ferien 21. April 2003
    Es sind Ferien. Viele Kinder hängen nun unnütz in der Gegend
rum. Kinder können sich ja heute überhaupt nicht mehr beschäftigen. Sie haben
so viele Möglichkeiten, dass sie nicht mehr wissen, womit sie anfangen sollen,
und dann machen sie zur Sicherheit gar nichts.
    Solche Probleme hatten wir früher nicht. Wir kannten noch
echte Langeweile, weil wir nichts zu tun hatten. Das war sozusagen eine
rational und argumentativ abgesicherte Langeweile. Heute kann man den Kindern
sagen: »Mach doch mal was, du hast einen Kaufladen, einen Bauernhof, 4000
Bunt-, Blei-, Filz-, Aquarell-, Glitzer- und Malstifte, eine Eisenbahn, eine
vierstellige Anzahl von Kuscheltieren, Puppen, Monstern und noch zahlreiche
weitere Kreaturen, und was machst du?« Und dann antworten die Kinder absolut
wahrheitsgemäß: »Nix.«
    Und das ist gut so. Langeweile ist ein Menschenrecht. Der
ganze Krempel heute ist ja bloß der Versuch, dem Kind das quälende Gefühl
sinnlos verrinnender Zeit zu vergällen. Oft macht man Eltern deswegen Vorwürfe:
»Kauft nicht so viel.« Dann antworten die Eltern: »Haben wir doch gar nicht.«
Stimmt. Das Zeug fliegt von allen Seiten herein. Von Großeltern, Tanten,
Kusinen und Schwippschwagern dritten Grades, die nur kurz zu Besuch kommen und
eine LKW-Ladung Spielzeug mitbringen.
    Die wollen das Zeug nämlich loswerden, haben selber zwei
Kinder und ein Reihenhaus, und Keller, Wohnzimmer, Küche und Bad sind bereits
komplett zur Spielzeuglagerstätte umgebaut. Die wollten einfach mal wieder
duschen. Also schnell zum Telefon, »Wir kommen euch besuchen!« gerufen,
7,5-Tonner angemietet und raus mit dem Dreck.
    Kommen Sie solchen Leuten nicht mit dem Argument: »Wir
haben doch gar keine Kinder.« Die brüllen aus dem Führerhaus: »In neun Monaten
seid ihr uns dankbar!«, fahren rückwärts ans Gartentörchen ran, Kipper hoch und
schon ist der Vorgarten übersät mit Plastikfiguren aus der
McDonalds-Happy-Meal-Tüte.
    Nehmen Sie es mit Humor. Irgendwann haben Sie Kinder. Und
dann bringen Sie denen das ganze Zeug zurück. Dann stehen die im Garten und
brüllen: »Nein! Kein Spielzeug! Unsere Tochter ist 14, sie will Zigaretten und
Marihuana!« Und dann rufen Sie zurück: »14 Jahre? Dann ist sie sicher bald
schwanger, in neun Monaten seid ihr uns dankbar.« Dann haben Sie gewonnen.
Gratuliere!
     
    Im Wartezimmer 29. April
2003
    Zeit ist komisch. Wie kann man jemandem erklären, was Zeit
ist? Das geht gar nicht. Deshalb hat Kant gesagt, wir hätten a priori, also
eine angeborene Vorstellung von Zeit. Ich glaube, dass er darauf gekommen ist,
als er beim Arzt im Wartezimmer saß. Damals glaubte man noch, Gesundheit
bestände aus einer Art Gleichgewicht der Körpersäfte, was ja beim Mann auch
heute noch stimmt, denn ich kenne viele Männer, deren Gesundheit beruht auf dem
Gleichgewicht von Alkohol und Samenflüssigkeit. Aber das nur nebenher.
    Ich glaube, dass Zeit und Gesundheit zusammenhängen. Je
mehr Zeit man beim Arzt verbringt, desto kränker ist man. Das

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