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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
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Wartezimmer ist
die Geburtsstätte aller Krankheit. Denn im Wartezimmer treffen sich die
Patienten, um sich anzustecken und so neue Patienten zu produzieren. Das ist
der Sinn der Sache, sonst könnten die Arzte einen ja einfach drannehmen, aber
die brauchen ständig neue Kundschaft, und deshalb lassen sie einen da sitzen,
stundenlang! Ich gehe im Wartezimmer immer hin und her, weil ich Angst habe,
dass ich im Sitzen skelettiere.
    Das geht zwar den anderen Patienten auf die Nerven, aber
die können ja gehen, wenn es ihnen nicht passt. Dann bin ich früher dran. Das
kann man sogar als Sport betrachten, die Leute, die vor einem dran sind, so
lange zu enervieren, bis sie gehen. Am besten ist, auf »Psychopath« zu machen,
erst mit kleinen Ticks wie Zucken und unkontrollierten Bewegungen, dann ein
bisschen Ekel (Nase hochziehen, speicheln), quälende Geräusche, und zuletzt
erzählt man sich selbst laut von diesem ekelhaften Hautausschlag am ganzen
Körper, der sich durch die Luft weiter verbreitet, durch kleine Sporen, die
jeden, der sie einatmet ganz langsam von innen verenden lässt...
    Ein Wartezimmer zu leeren, ist die wichtigste Aufgabe des
Patienten, wenn er überleben will. Das Wartezimmer ist die Brutstätte für Viren
und Bakterien schlechthin - wie früher die Uratmosphäre. Es gibt Wissenschaftler,
die davon ausgehen, dass das Leben vor 3,7 Milliarden Jahren durch die Spontanbildung
eines Virus in einem Wartezimmer entstanden ist. Die Luft eines Wartezimmers
gleicht der Atmosphäre der Erdurzeit, der Ursuppe aus vulkanischem Schwefel,
schweren Gasen und Mundgeruch.
    So hat das Leben angefangen. Deshalb hat man in so einem
Wartezimmer auch immer dieses Gefühl der Unsterblichkeit. In einem Wartezimmer
wird nicht gestorben, sondern gewartet. Ich glaube, dass nur deshalb so wenige
Leute in Wartezimmern sterben, weil da selbst der Tod warten muss, weil er
wahrscheinlich auch bloß kassenversichert ist.
    Privatpatienten kommen meistens eher dran. Wir sind nur
Gast auf Erden, aber Privatpatienten sind die Ehrengäste. Herzlichen
Glückwunsch!
     
    Erster Mai 6. Mai 2003
    Es ist 1. Mai! Da gehen wir hinaus! Tag der Arbeit! Und
dass am Tag der Arbeit nicht gearbeitet wird, entspricht unserem gesellschaftlichen
Zustand, bei 4,5 Millionen Arbeitslosen. Viele machen dafür die Arbeitgeber
verantwortlich, weshalb die Gewerkschaften zu Recht beleidigt sind. Sie haben
doch maßgeblich daran mitgearbeitet, den Menschen vom Joch der Lohnarbeit zu
befreien, in dem sie Rahmenbedingungen geschaffen haben, in denen Lohnarbeit
gar keinen Sinn mehr hat.
    Es ist doch so: Wenn man heute einen Betrieb mit fünf Mitarbeitern
aufmacht, braucht man zwei weitere, um die fünf zu verwalten - die sich also
mit den ganzen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften und Arbeitsrecht und IHK
und Verwaltungsberufsgenossenschaft und Tarifvereinbarungen beschäftigen. Und
ich sage »beschäftigen«, da »verstehen« in diesem Zusammenhang keinen Sinn
macht.
    Wenn man dann beim Steuerberater war, bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft,
beim Gewerbeamt, bei der Gleichstellungsbeauftragen, beim Hufschmied und der
Darmspiegelung und dann gerade mit der Arbeit beginnen will, dann kommt einer
vom Ordnungsamt und stellt fest, dass dieser Betrieb ohne
DIN-Norm-entsprechender Klobrillenfederung gleich wieder dichtgemacht wird. Und
für diesen Zustand haben unsere Gewerkschaften jahrzehntelang gekämpft! Da
sollten wir uns doch mal bedanken! Denn nur in einem komplett geschlossenen
Betrieb können auch keine Arbeitsplätze mehr abgebaut werden.
    Viele denken, die Gewerkschaften wären die Bremsklötze in
unserer Gesellschaft, aber das ist nicht ihre einzige Aufgabe. Erst durch die
Gewerkschaften entsteht ein Arbeitsumfeld, in dem keine Ausbeutung mehr möglich
ist, weil es keine Beschäftigung mehr gibt. Erst wenn der letzte Kleinbetrieb
an Vorschriften, Vereinbarungen und Tarifbedingungen erstickt ist, können die
Gewerkschaften sagen: »Ja, wir haben es geschafft. Die Ausbeutung des Menschen
durch den Menschen hat ein Ende!« Erst wenn keiner mehr irgendwas besitzt,
herrscht soziale Gerechtigkeit. Erst wenn keiner mehr was hat, ist kein
Sozialabbau mehr möglich. Brüder zur Sonne, zur Freiheit! Aber sofort.
     
    Haushalt 28. Mai 2003
    Wie man hört, arbeiten unsere Forscher an intelligenten
Haushaltsgeräten. Die sollen selbstständig per Videoauge erkennen, in welcher
Stimmung der Benutzer ist und dementsprechend handeln. Zum Beispiel erkennt

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