Nuhr, Dieter
ein
Kühlschrank: »Ah, mein Herr schwitzt, er sieht erschöpft aus, und außerdem ist
Donnerstagabend, da kommt er vom Fußball: Er hat Durst!« Und schon gibt der
Kühlschrank einen schönen eiskalten Doppelkorn aus. Was viele halt so trinken,
wenn sie nach Hause kommen. Großartig. Irgendwann gibt es vielleicht
Elektrogeräte, die mich verstehen. Schöner wäre noch, ich würde meine Elektrogeräte
verstehen. Aber egal.
Es ist schon großartig, diese Entwicklung! Noch vor 5000
Jahren lebten die Menschen bei uns in Höhlen und ritzten Tiere in die Wände.
Heute macht der gleiche Mensch Fotos mit seinem Mobiltelefon und verschickt sie
an andere, die überhaupt keinen Bock haben, sich diesen verwackelten Mist
anzugucken. Das ist schön - allerdings auch bekloppt! Fotos mit dem Telefon!
Ich versuche doch auch nicht, mit meinem Fotoapparat zu telefonieren. Das mache
ich nicht einmal mit meinem Backthermometer.
Wie kam es zu dieser erstaunlichen Entwicklung? Es begann
in der Frühzeit der Erdentwicklung. Viele, viele Einzeller taten
sich zusammen, beschlossen, Mehrzeller zu werden, und begannen, aufrecht zu
gehen und sich Menschen zu nennen. Schon damals gab es Visionäre, die öffentlich
behaupteten, dass man in wenigen Jahrtausenden schnurlose Telefone haben würde.
Von ihnen hörte man allerdings nie wieder, da sie enthauptet oder in Vulkane
geworfen wurden.
Menschen waren damals nämlich noch dumm wie die Roggenbrote.
Kein Mensch wusste damals, was ein Telefon ist, so wie viele Jugendliche heute
nicht mehr wissen, dass früher an Telefonen eine Schnur dran war. Durch diese
Schnur lief das gesprochene Wort, und ich habe bis heute nicht verstanden, wie
das möglich war. Aber es ging - und das war die Hauptsache.
Dann ließ man die Schnur weg, und es funktionierte immer
noch. Warum? Keine Ahnung, aber so ist es. Irgendwann werden wir das Telefon
weglassen, und es wird wahrscheinlich immer noch gehen. Aber so weit sind wir
noch nicht. Noch nicht ganz. Prinzipiell ist es heute schon möglich, ganz ohne
Handy zu telefonieren, man muss nur verdammt laut brüllen.
Ich nehme lieber das Telefon. Der Mensch passt sich eben
immer mehr der Technik an, und auch die Natur passt sich der Technik an. Denn
warum hat der Truthahn einen Darmausgang? Damit der Mensch weiß, wo er das
Backthermometer einführen muss. Super.
Tütensuppe 3. Juni
2003
Schon wieder Donnerstag. Wie die Zeit vergeht. Gerade noch
haben wir Menschen ums Lagerfeuer gesessen und Steinwerkzeuge hergestellt, und
jetzt sind wir schon in der Lage, Tütensuppen herzustellen. Damals war die
Tüte ja noch gar nicht erfunden. Wie das mit der Suppe war, weiß ich gar nicht.
Aber die Idee, eine Suppe zu trocknen und in Papiertütchen zu verkaufen ... ich
glaube nicht, dass es außer uns noch ein Säugetier im Universum gibt, das auf
solche Ideen kommt.
Es ist doch erstaunlich - vor allem, wenn man sieht, in
welcher Geschwindigkeit sich das alles entwickelt hat. Als sich das Leben
entwickelte, das war ja, erdgeschichtlich gesehen, neulich, vor ein paar
Wochen, eben erst. Das ging, kosmisch gesehen, zackzack. Erst kamen Einzeller,
dann kamen die, die Einzeller fressen, dann Pflanzenfresser, Fleischfresser und
dann der Mensch, das Tütensuppenwesen. Erst der Mensch stellt fest: Oh, man
kann in der Suppe den Geschmack drin lassen, aber das Wasser entfernen. Allein
diese Idee könnte für Außerirdische Rückschlüsse auf unseren Geisteszustand
ermöglichen.
Ich hoffe nicht, dass es im Weltall Wesen gibt, die es sich
zur Aufgabe gemacht haben, alle Tütensuppen-Zivilisationen zu vernichten.
Verstehen würde ich es. Wobei ich auch vor Dosensuppen nicht Halt machen
würde. So eine gediegene Bohnensuppe aus der Dose - gilt das eigentlich als
Lebensmittel, oder ist das bloß so eine Art Füllstoff für Menschen,
vergleichbar dem, was in Stofftieren drin ist? Gibt es für den Menschen, damit
in ihm etwas drin ist, statt Watte den »Feuertopf Mexiko«?
Das Zeug füllt wirklich gut. Wenn es sich erst mal im Körper
befindet, beginnt es sogar scheinbar selbst zu leben. Zumindest rumort es dann
so seltsam. Der menschliche Körper ist ja evolutionär gar nicht an Bohnensuppe
aus der Dose angepasst. Der menschliche Körper will Nahrung, nicht Füllung.
Liebe Tüten- und Dosensuppenesser! Probiert das mal aus - ab und zu ein
Nährstoff oder sogar ein Vitamin: Das tut gut. Der Körper wird sich
wahrscheinlich erst ein bisschen wundern, er wird sich fragen: »Obst? Was soll
das?
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