Nuhr, Dieter
worden sind, während ich mich frage: »Wie haben die
überhaupt eine abbekommen?« Das sind nicht gerade Traumtypen. Bei einigen,
denke ich, hätte die Beziehung sogar funktionieren können, wenn der einfach mal
seine Zähne reingetan hätte - oder sich gewaschen. Junge Leute wissen heute oft
gar nicht mehr, dass gelegentliches Waschen Beziehungen retten kann.
Manchmal hilft es schon, wenn man darauf verzichtet, sich
überall Löcher reinzustanzen, um Stifte und Ringe reinzuschrauben, bis das
Gesicht aussieht wie beim Altmetallhändler. Auch Tätowierungen sind sozial
problematisch, je nach Motiv. Diese Gestalten sitzen dann da und sagen: »Ey,
krass, ich war ein krasser Vermögensberater bei der Sparkasse, aber die lassen
mich ja nicht, krass, bloß wegen dem Hakenkreuz auf der Stirne ...«
Das Tolle an Talkshows ist, dass man erfahrt, dass es
diese Leute gibt. Und ich bewundere die Moderatoren. Wie ein Oliver Geissen es
schafft, so zu tun, als würde er seine Gäste ernst nehmen, wenn die im Studio
sitzen und sagen: »Ey, pffffff (bei bösen Worten kommt ja immer so ein
Pfeifton), Ey, pfffff, ich habe dem gesagt, er soll sich selber pffff, der
pffff hat so einen kleinen pfffff, da kann der meine pfffff gar nicht mit
pffffff...« Das ist dann wie ein Rätsel, eine Art Scharade. Man muss sich
vorstellen, was gemeint ist. Sehr spannend ...
Die haben aber auch Probleme: »Ich bin 13 und noch Jungfrau,
was soll ich tun?« Schwere Frage.
Gut, es kann nicht jeder nur das Feuilleton der »FAZ«
lesen. Klar, da wird intellektueller diskutiert. Im Feuilleton der »FAZ« stand
neulich ein unglaublich interessanter Artikel über »Methoden der
Identifikation von Heringsschwärmen um 1900«. Das wäre
als Thema für Oliver Geissen eben ein bisschen zu sophisticated, oder?
Schlecht Sein 29. Januar 2003
Ich bin wirklich nicht schlecht gelaunt. Ich bin auch wirklich
kein Miesepeter. Aber manchmal kann man diese ganzen gleichgültigen Gestalten,
die jeden Tag mit der gleichen Laune durchs Büro laufen, einfach nicht mehr
ertragen. Diese Typen, die nicht lachen oder rumstänkern, die einfach nur da
sind und allein dadurch auf den Senkel gehen, diese Armleuchter, bei denen man
denkt: »Wenn der noch einmal um halb elf morgens >Mahlzeit< sagt, dann
tacker ich ihm die Zunge an die Nase, loche ihm die Ohren und lege ihn im
Idiotenordner ab.«
Ich kriege dann manchmal richtig böse Gedanken. Das kenne
ich sonst gar nicht bei mir. Das ist das Böse, das in uns allen steckt. So wie
ich auch manchmal denke: »Heute machst du etwas ganz Schlimmes, etwas ganz
Anarchisches, heute nimmst du morgens Elmex und abends Aronal!«
Oder ich fahre mit dem Auto, und dann kommt mir plötzlich
ein ganz gemeiner Gedanke, und ich sage mir: »Jetzt machst du es!« Und dann
traue ich mich zwar nicht, klar, ich bin ja anständig, im richtigen Leben würde
ich mich nie auf einen Behindertenparkplatz stellen ... aber tief im Inneren
gibt es da Fantasien bei mir, das bringt mich ganz durcheinander.
Was ich alles in meinen Träumen mache, schrecklich! Einfach
die Treppe nicht mehr putzen, oder dem Nachbarn beim Sperrmüll die alten
Lackreste dazustehen, oder im Männerklo eine Videokamera und ein
Starkstromkabel verlegen, und wenn dann wieder eine Sau mit untenliegender
Brille im Stehen pinkelt: Wuff! Das sind Gedanken, die mich selbst
erschrecken. Das muss das Böse sein, das in uns allen ist. In jedem von uns,
sind wir ehrlich!
Man kann das sogar sehen. Machen Sie mal folgenden
Versuch: Fahren Sie in einer Autobahnbaustelle, in der 80 erlaubt ist, mit 74
neben einem Lastwagen auf der linken Spur, 15 Kilometer lang - und kurz vor
Ende der Baustelle, schauen Sie mal in den Wagen hinter Ihnen! Das ist
vielleicht ein liebevoller Familienvater, aber er wäre ohne Zweifel bereit,
Sie auf der Stelle zu lynchen. Der Mensch ist schlecht...
Der Mensch ist eine
Maschine. 31. Januar 2003
Ich glaube, ich habe einen freien Willen. Sicher bin ich
allerdings nicht. Jetzt habe ich wieder gelesen, dass mein ganzes Bewusstsein
bloß aus Atomen in meinem Hirn besteht, die aufeinanderprallen und mir das
Gefühl geben, ich würde denken. So ist der aktuelle Stand der Hirnforschung.
Aber das glauben ja heute fast alle, dass das Hirn das Denken macht. So wie der
Darm verdaut, so macht das Hirn Gedanken. Und bei vielen kommt das ja auch auf
dasselbe raus.
Die große deutsche Hirnforscherin Juliane Werding hat vor
langer Zeit den heute noch aktuellen
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