Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
Vom Netzwerk:
dann wurden furchtbare Irrtümer sichtbar.
Oje! Der Mensch an sich wird durch Licht oft nicht schöner. Beim Klammerblues
hatte man ja immer die Augen zu, und sah den Partner oder die Partnerin
praktisch nur vor dem inneren Auge. Und was da innen aussah wie in unseren
Träumen, war dann bei Licht eher so, dass manche Frau dachte: »Oh, und ich
hatte ihn für humaoid gehalten.« Und dann dachte man oft: »Gott sei Dank für
die Erfindung der Lampe! Das wäre im Fortpflanzungsfall evolutionär 200
Millionen Jahre nach hinten losgegangen.«
    Ich glaube, der Schein der Neonlampen im Partykeller hat
damals viele menschliche Katastrophen verhindert. »Samba Pa Ti« ... Danke!
     
    Vaters Wünsche 23. Oktober 2003
    Der Mensch ist immer auf der Suche nach Zuständen, die besser
sind als die, in denen er gerade lebt. Mit anderen Worten: Wir sind nie
zufrieden. So ist der Mensch. Ein Nörgler und Jammerlappen. Ich konnte sogar
einen Beruf daraus machen. Aber das nur nebenbei.
    Die Unzufriedenheit ist ein Grundzustand des Menschen. Er
entwickelt sich nur deshalb weiter, weil ständig einer sagt: »Ich will etwas
Besseres. Ich will einen beheizbaren Klodeckel.« Und wenn man ihm dann einen
zum Geburtstag schenkt, dann sagt er: »Der hat aber keinen Aufprallschutz. Und
keine Schließautomatik. Und was ist mit der desinfizierenden Rosettenreinigung
und analer Komplettpflege?«
    »Gibt's nicht« ist da gar kein Argument. Dann muss das
halt entwickelt werden. Durch Wünsche entstehen Märkte. Dann arbeiten Tausende
von Ingenieuren und Technikern daran. Dann kommt noch der TÜV, prüft das Ganze
hintenrum und untenrum, und wieder sind wir ein Stück weiter auf dem Weg ins
Paradies. Aber wir kommen nie an. Wunschlos glücklich ist man ja nur ganz kurz,
dann will man wieder was Besseres, dann heult der Mensch wieder los: »Mein
größter Wunsch wäre, wieder einen Wunsch zu haben ...«
    Das ist auch gut so, denn wunschlose Menschen sind
schlimm. Am schlimmsten sind die, die sagen: »Ich brauch nix.« Mein Vater ist
so. Der braucht wirklich nix. Geburtstag, Weihnachten, das ist die Hölle! Für
Mutter gibt's ja wenigstens Tosca! Aber mein Vater? »Was wünschst du dir?«
»Nix.«
    Ich glaube, als irgendein Nörgler vor seiner Höhle gestanden
und gesagt hat: »Ich will nicht zu Fuß gehen! Warum erfindet nicht mal einer
das Rad?«, da hat ein Ahne meines Vaters daneben gestanden und geantwortet:
»Rad? Brauch ich nicht.«
    Normal hat ein Mensch Wünsche. Die werden durch Sinnesreize
aktiviert, zum Beispiel Bilder oder Gerüche. Die sprechen dann das limbische
System an, das das Triebverhalten steuert, und daraus entstehen Wünsche. Bei
meinem Vater hat Gott einfach das limbische System vergessen. Mein Vater sagt:
»Wünsche? Brauch ich nicht.« Wenn der Mensch wäre wie mein Vater, würden wir
noch als Einzeller in der Ursuppe schwimmen. Und mein Vater würde sagen: »Ne zweite
Zelle? Brauch ich nicht.«
    Er war übrigens Beamter. Dann ist er pensioniert worden,
obwohl er gesagt hat: »Ruhestand? Brauch ich nicht. Ich mache weiter wie
bisher.« Dann haben sie ihn trotzdem pensioniert, aber heimlich. Es hat ihm bis
heute keiner gesagt. Das muss das Glück sein: pensioniert und wunschlos.
Herrlich.
     
    Gedächtnis 4.
November 2003
    Ich vergesse ja alles. Viele behaupten, das läge am Alter,
aber das stimmt nicht: Ich habe schon als Kind alles vergessen. Meine Mutter
hat mich losgeschickt, um Brötchen zu holen und rief mir hinterher: »Bring noch
Milch mit!« Dann kam ich mit der Milch nach Hause, hatte aber die Brötchen
vergessen. Aber meine Mutter war begeistert, dass ich überhaupt daran gedacht
hatte, wieder nach Hause zu kommen.
    Wenn meine Eltern mal ein paar Wochen hätten alleine in
Urlaub fahren wollen, hätten sie mich nur mit den Worten losschicken müssen:
»Komm schnell wieder nach Hause!« Ich wäre wahrscheinlich drei Wochen durch die
Stadt geirrt und hätte vor mich ihn gemurmelt: »Was wollte ich noch mal?«
    Ich habe schon immer alles vergessen, ich bin mehr der vegetative
Typ. Vegetative Sachen vergesse ich nicht - wie etwa Atmen. Vergesse ich nie -
oder selten. Aber Socken, die in die Wäsche gehören und nicht in die Mitte des
Wohnzimmers, die vergesse ich. Ich denke vielleicht an einen Socken. Aber alle
beide - da muss ich mir schon einen Zettel schreiben. Aber dann vergesse ich
wieder, auf den Zettel zu gucken.
    Der Satz, den ich von meiner Freundin am häufigsten höre,
ist: »Warum hast du mir nicht gesagt, dass

Weitere Kostenlose Bücher