Nuhr, Dieter
seine Jugend in Untertürkheim verbracht, also weiß er: Deutsch war das
nicht. Der arme Mann versteht die Welt nicht mehr ...
Wenn der Deutsche im Ausland seinen Pons herausholt,
klingt das meist wie eine mittelalterliche Frühform finnougrischer Übungssätze
aus der Logopädie.
Und auch, wenn man einen Langenscheidt hat: bitte! Es
reicht nicht, einzelne Worte einfach zu übersetzen und zu glauben, zusammen
ergäben sie einen Satz. Wenn der Kellner in akzentfreiem Deutsch fragt: »Für
wen ist die Pizza?«, antwortet man nicht: »Quattro me.« Das heißt zwar: »Vier
mich.« Aber trotzdem. Man antwortet einfach: »Gib her, alter Schwede!« Der
Kellner antwortet dann: »Eh, is kla.« Schon ist beste Stimmung, und darum
geht's doch im Urlaub. Völkerverständigung klappt schon bei uns zu Hause
nicht, da sollte man wenigstens im Urlaub unbeschwert feiern ...
Deutsche im Ausland 11. September 2003
Gute Güte, jetzt ist die Urlaubszeit auch schon wieder vorbei.
Millionen Deutsche sind wie die Heuschrecken über das Ausland hergefallen -
wenn auch nicht wie früher mit Panzern, sondern mit Handtüchern. Wir würden
heute Polen nicht mehr überfallen, sondern einfach überall Handtücher drauflegen,
das ist viel geschickter. Vielleicht hätten wir den Zweiten Weltkrieg gewonnen,
wenn wir uns den Rückweg mit Handtüchern freigehalten hätten ...
Wir sind im Ausland wegen dieser Geschichte auch nicht
sonderlich beliebt. Handtücher wirken imagetechnisch nicht viel anders als
Panzer, zumal wir bei ausländischem Dienstpersonal auch nicht für tolle
Trinkgelder bekannt sind. Der Deutsche ist ja gerne mal drei Wochen in einem
Hotel, muss dann 801,30 Euro bezahlen, gibt dann 800 und sagt: »Stimmt so.« Das
ist dann pro Angestelltem ein Trinkgeld von minus 0,03 Cent. Mit solch atomaren
Geldmengen lebt man indessen auch in der Türkei nicht mehr in Saus und Braus.
Dafür hat der Deutsche in Sachen Benimm dazugelernt. Für
Gegröle sind indessen andere Völker zuständig. Es sind in den meisten Fällen
Skandinavier am Werk, wenn um 2:00 Uhr in der Früh Erbrochenes vom Balkon
fällt. Für geprügelte Sechsjährige sorgen gerne unsere südländischen
Kinderfreunde, und Rülpsen, die eigene Fahne schwenken und faschistisches
Gedankengut absingen, das erledigen auf Mallorca die Engländer.
Wir Deutsche finden uns indessen selbst so peinlich, dass
wir überhaupt nur noch in Notfällen zugeben, überhaupt aus Deutschland zu
kommen. Verständlich, denn dann kommt meistens: »Oh! Ich Bruder Untertürkheim
...!« Schon ist man mittendrin im Teppichladen, muss Tee trinken und kauft aus
lauter Peinlichkeit erst mal zehn handgeklöppelte Teppiche aus wertvollen
Naturmaterialien, bei denen man erst zu Hause sieht, wie edel die Schweißnaht
ins Plastik gepresst wurde.
Wir wollen ja um Himmels willen nur den besten Eindruck
hinterlassen - und sind die einzige Nation, die sich selbst so bekloppt
findet, dass sie lieber sagt: »Ich nix Deutsch! Ich Schwede.« Ist ja auch
geschickt. Da kann man sich endlich wieder bewusstlos saufen und alle denken:
»Grauenhaft, die Schweden! Die saufen! Wie die Deutschen.« Denn nichts hält
sich länger als ein gesundes Vorurteil. Vor allem im Ausland!
Santana 17
September 2003
Eine der größten Freuden des Menschen ist ja die Musik.
Mein Lieblingslied früher war von Santana: »Samba Pa Ti«. Ich sage nur:
Klammerblues. Stundenlang hat man sich auf der Tanzfläche abgemüht und hat nur
auf diesen einen Moment gehofft, dann kam »Samba Pa Ti«, und endlich konnte man
dranfassen, und wer dann von den Mädels nicht schnell genug auf den Bäumen
war, wurde umklammert...
Ich glaube, ohne dieses Lied wäre der Zungenkuss in Mitteleuropa
ausgestorben. Möglicherweise wäre es überhaupt in ganzen Landstrichen gar nicht
mehr zur Paarung gekommen. Andere Tierarten plustern die Federn, Frösche blasen
ihre Backen auf, bis sie aussehen wie Luftballons, aber der Mensch! Der Mensch
legte damals »Samba Pa Ti« auf den Plattenteller.
Damals legten noch ganz normale Menschen Platten auf
Plattenteller, nicht nur DJs. Da legte immer der auf, mit dem nun wirklich
niemand knutschen wollte. Der musste auflegen und mit ansehen, wie alle Jungs
versuchten, ihr Gesicht auf die Tanzpartnerin zu pressen. Lauter Sackpullover
und Halstücher, also alles, was man heute nur noch bei Entrümpelungen findet - oder
auf dem Kirchentag.
Und dann »Samba Pa Ti« ... Dann war auch meistens
Feierabend, das Licht ging an, und
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