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Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
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Legen Sie einmal Ihr Hirn auf
die Küchenwaage. Zeigt die Waage unter 1000 Gramm an, sind Sie wahrscheinlich
schwachsinnig. Dann sollten Sie stutzig werden, beziehungsweise dann brauchen
Sie sich auch keine Sorgen mehr zu machen - womit auch? Schwachsinnig ist man
natürlich bereits, wenn man sein Hirn auf eine Küchenwaage legt, aber egal.
Über 1800 Gramm ist übrigens auch nicht gut! Dann ist man wahrscheinlich
bekloppt. Warum, weiß keiner. Wahrscheinlich packt der Laufwerkscontroller das
nicht, in so einem Fall muss man die Partition teilen, formatieren und neu
installieren, dann geht es meistens wieder.
    Aber wichtiger als die Größe ist wohl die Aufteilung, wie
zum Beispiel die Furchen. Das Hirn sieht ja mit seinen ganzen Windungen ein
bisschen zerfurcht aus, etwa wie ein Darm, und bei vielen ähnelt das Denken ja
auch dem Verdauungsprozess. Und wie man seine Gedanken verdaut, hängt offenbar
von den Furchen ab. Bei Musikern hat man festgestellt, dass die Furche
zwischen Stirn- und Scheitellappen besonders groß ist. So sagen
Neurowissenschaftler. Ich glaube ja, das kann auch vom Saufen kommen, wir
wissen doch alle, was Musiker in ihrer Freizeit machen ...
    Im Schläfenbereich ist das Brocazentrum, das für Sprache
wichtig ist. Das war bei Einstein normal ausgebildet. Aber Einstein hatte
riesige untere Scheitellappen! Innen! Nicht dass Sie jetzt denken, dass ich von
dem rede, was da seitlich von seinem Kopf abstand - das waren seine Haare. Er
sah ja immer ein bisschen aus, als hätte er einen Zeh in der Steckdose.
    Es gibt Hirnforscher, die glauben, dass Einstein wegen
dieser Scheitellappen auf die Relativitätstheorie gekommen ist. Es kann aber
auch sein, dass Einstein so lange nachgedacht hat, dass ihm die Scheitellappen
angeschwollen sind, man weiß nicht, was Ursache ist oder was Wirkung. Man weiß
ja im Grunde gar nichts.
    Legen Sie Ihr Hirn also ruhig auf die Küchenwaage. Und
wenn es Ihnen aus der Hand glibbert und runterfallt, ist das auch nicht so
wichtig. Denken Sie einfach mit der Hypophyse weiter. Vielleicht begreifen Sie
dann Dinge, die Sie Ihr Leben lang nicht verstanden haben - wie die Tatsache,
dass Frauen mit 100 Gramm
weniger Hirn trotzdem immer wissen, wer da im Treppenhaus seit 30 Jahren grüßt,
oder welche Hosengröße Sie haben. So etwas wissen Frauen. Wenn eine Verkäuferin
fragt: »Welche Hosengröße haben Sie?«, dann sagen Frauen immer 38, die
Verkäuferin holt 42, und die passt. Männer wissen so was nicht. 1400 Gramm Hirn
sind halt auch nicht sehr viel.
     
    Mit dem Auto im
Urlaub 27 Juli 2003
    Ich fahre mit dem Auto in Urlaub. Mit dem Flugzeug ist man
in drei Stunden da, das macht keinen Spaß. Wenn dann muss man sich die volle
Dröhnung geben: über die Autobahn!
    Da spürt man noch, wie weit der Urlaubsort weg ist von zu
Hause, Papa fährt aus der Garage, die Kinder steigen ein und rufen: »Wann sind
wir endlich da-a-ha?« Papa hat schon diese leichte Nervenreizung, weil er weiß,
wie der Tag weitergeht. Spätestens nach zwei Stunden und 40 gefahrenen
Kilometern ruft Papi Wörter, die haben die Kinder bei ihm noch nie gehört, und
es kommt noch schlimmer, denn Papi steht in einer Baustelle mit Vollsperrung,
und neben der Spur steht ein großes Schild: »Reisen statt rasen.« Das führt bei
Papis manchmal zur Löschung weiter Teile des Bewusstseins.
    Das mag ich am Urlaub mit dem Auto: Ich stehe dann daneben
und bleibe immer ganz ruhig. Neben mir rastet Papi im Wagen aus, aber man hört
nichts, die Fenster sind geschlossen, aber es ist zu sehen, wie ihm in seinem
mit fünf Personen vollgepfropften Opel Astra die Augen aus dem Kopf quillen.
Ich wende nur kurz meinen Kopf, unsere Blicke treffen sich, und dann lächle
ich, wie es sonst nur die Anstaltsärzte tun. Das macht ihn fertig. Todsicher.
Das Schlimmste, wenn man sich aufregt, sind ruhige Menschen um einen rum, die
einem das sichere Gefühl geben, man sei reif für die Anstalt.
    Das ist im Grunde die schönste Beschäftigung für Menschenhasser:
Im Stau stehen und verzerrte Grimassen im Nachbarwagen anlächeln. Wenn dann
nach drei Stunden die Unfallstelle geräumt ist, und es langsam weitergeht,
einspurig und stockend, aber immerhin, dann vergesse ich einfach mal das
Anfahren, und vor mir entsteht so eine kleine Lücke. Hinter mir entfesselte
Naturgewalt, »Fahr, du Drecksau!« - und man lächelt, macht erklärende Gesten
nach hinten, bildet mit den Lippen die Laute: »Oh, Motor aus, sorry ... Ich
mach schon - ich fa-ahr

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