Nuhr, Dieter
abgeschoben bei den
Stadtwerken in der Abteilung für Wasseraufbereitung und Chlorwesen.
Die Bewunderung für Uniformen und Amtsträger ist bei uns
ist in den letzten Jahrzehnten irgendwie zurückgegangen, oder? Seit uns dieser
kleine uniformierte Hanswurst in den Zweiten Weltkrieg geführt hat, wissen wir,
dass in einer chicen Uniform oft eine sehr kleine Unterhose steckt. Wir sind
genervt von uniformierten Amtspersonen. Und viele denken, ein Bademeister sei
einer, der die Politessenprüfung nicht geschafft hat. Ein Spaßverderber. Kaum
hat man ein Mädchen gefangen, das nun schreiend in starken Armen zum Beckenrand
geschleppt wird, schon pfeift der Sack! Und das Mädchen denkt: »Hey! Warum
pfeift der? Ich muss doch schreien! Das gehört zum Ritual!«
Aber der Bademeister ist unerbittlich! Er ist um 5 :00 Uhr aufgestanden und hat schon drei Stunden lang
rundlichen Rentnern beim Wasserschlagen zugeschaut. Der kann keine gut gelaunten
Menschen mehr ertragen, schon gar nicht, wenn sie jung sind, hübsch und drohen,
die Badeordnung zu verletzen, die Heiligkeit des obersten Gebotes, das Moses
damals vergessen hatte: »Du sollst nicht vom Beckenrand springen! Und außerdem
sollst du auch keine Mitmenschen in knappen Bikinis vom Beckenrand reinwerfen.
Das Nähere regelt der Bademeister.«
Es ist nicht der Bademeister, der gegen uns ist. Es ist Gott!
Der Bademeister ist nur sein Vollstrecker.
Schwangerschaft als
Segen 15. August 2004
In der Wohnung unter uns, da war diesen Sommer was los,
herrlich. Im Sommer kriegt man ja alles mit, weil alle das Fenster auflassen.
Es ist schön, wenn Menschen die Allgemeinheit an ihren privaten Sorgen
teilhaben lassen.
In diesem Fall war es so, dass sie, also Sonja, ihm, also
Gerry, gesagt hat: »Ich bin schwanger.« Sie ist 36, und da freut man sich über
das erste Kind - als Frau. Gerry allerdings hatte sich wohl irgendwie auf die
moderne Wissenschaft verlassen, die da sagt, dass die Zeugungsfähigkeit spürbar
nachgelassen hätte ... Viele Menschen vergessen, dass der statistische
Durchschnitt nicht immer auf sie zutrifft. Und Gerry war von dieser Nachricht,
wie sagt man? Überrascht? Nein, das trifft es nicht. Eher geschockt. Oder
besser: paralysiert. Jedenfalls, als er zu mir herauf kam, um mir alle
Einzelheiten zu schildern, da erinnerte mich sein Gesichtsausdruck ein bisschen
an einen Menschen, der einen Blitzeinschlag überlebt hat, körperlich
unversehrt, aber geistig verwirrt.
Das muss man verstehen. So eine Schwangerschaft ist natürlich
auch ein Einschnitt. Viele stellen sich das Leben mit Kindern ganz schrecklich
vor, und denken, dass man plötzlich immer für jemanden da sein muss, Windeln
wechseln, kein Schlaf mehr, vorbei das schöne Leben. Das ist natürlich auch so.
Aber was soll's?
Nun ist der Gerry wie jeder normale Mann. Er sagte: »Ich
steh dazu. Ich hau ab!« Ich habe natürlich versucht, ihn zu beruhigen und habe
ihm erklärt: »Gerry, das geht nicht. Nimm es positiv. 20 Jahre sind schnell
rum.« Aber Gerry war in seinem Zustand für rationale Argumente einfach völlig
unempfänglich.
Trotzdem habe ich natürlich versucht, ihn aufzumuntern:
»Gerry, das Leben ist Werden und Vergehen. Du wirst bald tot sein. Aber ein
neues Leben ist etwas Wunderbares.« Aber Gerry meinte nur: »Schön und gut. Ein
Hund hätte es auch getan.«
Die ganze Geschichte ist dann aber noch gut ausgegangen.
Sonja war eh nicht schwanger. Sie wollte nur mal gucken, wie er so reagiert,
und hat sich dann auch getrennt. Sie meinte, sie sucht sich einen Partner, der
ein bisschen Verantwortungsgefühl hat. Da war sie bei Gerry natürlich falsch.
Und Gerry hat das Gefühl, als wäre er einem Kannibalenstamm aus dem Suppentopf
entkommen. Im Übrigen meint er, ich hätte Recht gehabt: So ein neues Leben ist
etwas Wunderbares. Beneidenswert.
Frauenversteher 20.
September 2004
Ich bin ein Frauenversteher. Das ist ein Beruf, den man
heute eigentlich nicht mehr anstreben sollte, weil er nicht hoch angesehen
ist. Frauenversteher ist ja fast schon ein Schimpfwort geworden - was ich
nicht verstehe. Es ist doch nicht schlimm, Frauen zu verstehen. Das kann doch
mal passieren! Es gibt ja auch Frauen, die Männer verstehen. Ganz selten, aber
immerhin. Gut - sogar so selten, dass es das Wort gar nicht gibt:
Männerversteherin.
Warum gibt es keine Männerversteherinnen? Natürlich weil
von Frauen gar nicht verlangt wird, dass sie Männer verstehen. Auf so eine
Idee kommen Frauen gar nicht.
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