Nuhr, Dieter
Stiftung Warentest hat unsere Bestatter getestet, und
das ist teilweise erschreckend schlecht ausgegangen. Man fragt sich natürlich:
»Na und? Was soll ich machen? Gibt doch keine Alternative.« Wenn die Bestatter
nicht gut sind, kann ich ja trotzdem nicht mit Onkel Kurt zum Pferdemetzger
gehen. Für einen leckeren Braten war er zu zäh und für einen ordentlichen
Schinken zu fett. Außerdem ist das nicht erlaubt.
Die Bestatter haben dafür gesorgt, dass unser Bestattungsrecht
so genau festlegt, was zu tun ist, dass man ohne Bestatter nicht auskommt. Da
ist selbst die Grabsteingestaltung so genau geregelt, dass man mit seinen
individuellen Wünschen keine Chance hat, angeblich wegen der Würde des
Menschen. Wahrscheinlich vor allem der des Bestatters, und vor allem der Würde
seines Kontos. Das Konto eines Bestatters will ja auch würdig gefüllt sein, vor
allem im Todesfall, da wird es nämlich teuer. Wie teuer, das erfährt man dann
meist erst, wenn schon alles unter der Erde ist.
Die Stiftung Warentest hat herausgefunden: Der Bestatter
sagt nur ganz ungern genaue Preise, und wenn, dann hält er sich nicht dran. Der
Bestatter sagt lieber: »Wir regeln
alles für Sie.« Er weiß ja auch: Für einen Kostenvoranschlag fehlt Onkel Kurt
einfach die Zeit. Der Mensch neigt nach dem Tod oft zum flotten Verfall, und
wenn er nicht gerade Pharao war, beginnt er zu verwesen. Das weiß der Bestatter
und sagt dann erst mal: »Einen Kostenvoranschlag machen wir gerne. Bis dahin
ist Ihr Onkel Kurt allerdings nicht mehr in perfektem Zustand ...«
Bei alten Kulturvölkern wurden früher gerne Beigaben mit
ins Grab gegeben, Gold und Ähnliches, und später haben Grabräuber sich das dann
unter den Nagel gerissen. So etwas brauchen wir nicht mehr. Dafür, dass nichts
übrig bleibt, dafür sorgt heute der Bestatter.
Gerade trauernde und ältere Menschen werden da gern mal
über den Tisch gezogen. Das ist bitter. Bringen Sie mal einer Rentnerin bei,
dass die Rechtsschutzversicherung fürs Jüngste Gericht überflüssig war. Oder
der Zweitsarg für die kalten Wintertage. Von den ultrateuren
Seelenwanderschuhen ganz zu schweigen.
Aber ein Bestatter hat es natürlich auch nicht einfach.
Die Kunden sind oft unglaublich schlecht gelaunt, und selbst wenn man ihnen
einen echt preiswerten Sarg verkloppt hat, gehen die trotzdem nicht richtig
glücklich nach Hause. Geschweige denn, dass sie am nächsten Tag wiederkämen
und sagten: »Mensch, das war eine Superberatung. Ich nehme noch so eine Kiste.«
Klar, dass da auch die Bestatter nicht immer gut drauf
sind. Aber sie sind guten Willens. Der Bundesverband Deutscher Bestatter hat
nach dem Test gesagt: »Wir werden sehen, wie wir uns verbessern können.« Ich
glaube nicht, dass wir das noch erleben werden. Wenn nicht, dann sei Gott mit
uns. Oder besser noch mit unseren Angehörigen.
Platon und die
Socken 30. November 2004
Piaton hat gesagt: »Die Wirklichkeit ist immer nur ein Abklatsch
der göttlichen Idee.« Gut. Wer in einer festen Partnerschaft lebt, der weiß,
dass Idee und Wirklichkeit oft bemerkenswert weit auseinanderklaffen.
Die Idee »Mann«, also das alle Männer umfassende Ideal,
ist ein geistiges Konstrukt, gegen das der reale Mann gar nicht anstinken kann.
Der ideale Mann würde beispielsweise niemals in der S-Bahn die Schuhe
ausziehen, um dann seine Füße bräsig auf den Sitz gegenüber zu legen. In
Socken. Das entspricht einfach nicht der göttlichen Idee. Das entspricht nicht
mal den Vorschriften der Verkehrsbetriebe. Aber der reale Mann macht das - und
puhlt sich dabei noch den Zahnstein raus. Ich habe es selbst gesehen. In der
S-Bahn! Total eleganter Anzug! Aber Socken auf dem Sitz. So etwas ist doch in
der göttlichen Ordnung des Kosmos gar nicht vorgesehen!
Nach Piaton existiert von allen Dingen eine göttliche
Idee, selbst von Socken. Diese göttlichen Socken wären dann praktisch das
Ideal der real existierenden Socken, die in der U-Bahn vor sich hinqualmen, bis
der Rauchmelder nervös wird.
Die göttliche und die menschliche Socke unterscheiden sich
aber nicht nur durch den Geruch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf einer
göttlichen Socke Schlümpfe sind. Oder Playboyhäschen. Das habe ich alles schon
gesehen. In der S-Bahn! Vielleicht hat Gott einen Bart, ich weiß es nicht. Aber
Schlumpfsocken? Niemals! Sicher, wenn Gott alles kann, dann kann er auch
Schlumpfsocken tragen. Aber er würde sie niemals in der S-Bahn auf den Sitz
legen. Menschen machen
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