Nuhr, Dieter
er nicht pleite gehen will. Aber das ist dem
Verbraucher egal. In solchen Dingen ist der Verbraucher ein beinharter
Unternehmer, er denkt ökonomisch oder wie Franz Müntefering es nennen würde: asozial.
Der Verbraucher sagt: »Geiz ist geil, ich bin doch nicht blöd. Hauptsache
billig!« Und er sich selbst der Nächste ...
Verbraucher handeln also, wenn es um ihr eigenes Geld
geht, unternehmerisch, würden dieses Attribut für sich aber niemals akzeptieren,
weil sie Angst hätten, dann von Franz Müntefering als Heuschrecke bezeichnet zu
werden.
Man vergisst gern, dass Heuschrecken intelligente Tiere
sind. Man verbindet sie mit Gefräßigkeit, und natürlich gibt es gefräßige
Schwärme, die großen Schaden anrichten können. Die meisten jedoch sind
harmlose, nette Gesellen, Gryllus campestris etwa, die Feldgrille: Sie frisst
ausschließlich Gras und ist vom Aussterben bedroht, weil sich viele Bauern
aufführen wie Müntefering und die Heuschrecken gerne vernichten, wenn es
irgendwie geht.
Im Prinzip ist die Heuschrecke weit mehr durch den Menschen
bedroht als umgekehrt. Das weiß Franz Müntefering natürlich. Er weiß, dass er
mit dem Gerede von den Heuschrecken ziemlich billigen Populismus verbreitet
hat. Aber es ist gut angekommen! Und da ist der Politiker wie der Verbraucher:
Im Zweifel ist billig immer besser.
Der Mensch als
Suchender 18. Mai 2005
Ich bin ein Suchender. Das hat bei mir existentialistische
Züge: Ich suche immer, finde aber nie etwas. Bei Picasso war es ja umgekehrt,
der hat gesagt: »Ich suche nicht, ich finde.« Das ist eine vorbildliche
Grundeinstellung, die aber auch nicht hilft, wenn gerade kein Klopapier da
ist. Man läuft mit der Hose in den Kniekehlen durch die Bude und weiß genau:
»Ich hab doch Klopapier gekauft...« Da ist auch Picassos Lebensphilosophie am
Ende.
Heidegger hingegen hat erkannt, dass der Mensch immer ein
Suchender sein wird, weil der Urgrund seines Daseins vom Menschen selbst nicht
erkannt werden kann. Wahrscheinlich hat Heidegger auch nie Klopapier gehabt.
Philosophen sind ja meist schusselig und finden nie etwas. Und dann glauben
sie, das Universum sei schuld, denn das Universum, in dem der Mensch lebt, ist
unverständlich und gleichgültig. Sonst würde das Klopapier rufen: »Hallo, ich
bin hier, in der Küche, warum auch immer ...!«
Wahrscheinlich ist auch Nietzsche mit runtergezogener Hose
auf den Gedanken gekommen, Gott sei tot. Er hat eben gemerkt, dass es, neben
einer leeren Rolle sitzend, nicht weiterhilft, Heilige anzurufen oder Gott um
Hilfe zu bitten. Selbst tiefgläubige Katholiken behaupten nicht ernsthaft, dass
sie jemanden kennen, der auf dem Klo gesessen hätte, das Papier sei alle gewesen,
dann habe er ein beherztes Gebet inbrünstig gen Himmel geschickt, und plötzlich
sei eine Rolle Klopapier vorbeigelaufen, die freundlich gefragt hätte: »Kann
ich Ihnen helfen?«
Wenn bei mir im Klo eine Klorolle vorbeikommen und Fragen
stellen würde, könnte ich sie gar nicht mehr benutzen. Da hätte ich Mitleid mit
der armen Rolle. Das wäre doch kein Beruf für ein sprachbegabtes Wesen! Gott
sei Dank gibt es so etwas nicht!
Der Mensch wird immer ein Suchender bleiben. Dass der
Mensch nichts findet, kann allerdings auch an der Beschilderung liegen. Der
Mensch irrt durch die Welt, und immer da, wo er abbiegen sollte, ist gerade
das Schild umgefallen. Oder es ist Oberhausen ausgeschildert - und sonst
nichts. Dann irrt der Mensch im gottlosen Universum umher, alles blinkt und
leuchtet und zeigt irgendwas an, bloß nicht den gewünschten Zielort. Und dann
entdeckt man plötzlich ein großes Plakat, auf dem zu lesen ist: »Sonderangebot:
3-lagig, sanft, extra reißfest, nur 2,59 Euro.« Und man denkt: »Genau, hätte
ich fast vergessen. Ich muss ja noch Klopapier kaufen!« Manchmal ist es gar
nicht schlecht, vor Erreichen des Zieles noch ein bisschen umherzuirren ...
Glückliche Singles 25. Mai 2005
Gerade habe ich gelesen, dass die Deutschen so glücklich
sind wie seit zehn Jahren nicht mehr? 3 7 Prozent bezeichnen sich selbst als
glücklich. Das ist großartig, oder?
Allerdings gibt es bei den Singles weit weniger Glückliche
als bei den in Beziehung Lebenden. Man könnte daraus schließen, dass Singles
unglücklicher seien. Dabei handelt es sich aber um ein typisches Beispiel für
das falsche Lesen einer Statistik. Nicht Singlesein macht unglücklich, sondern
Unglücklichsein ist nicht gut für die Beziehung. Mit anderen Worten:
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